Coronavirus

Merkel spricht von epidemischer Notlage in Deutschland

Angela Merkels Rede am Städtetag in Erfurt kam per Live-Videostream aus Berlin.
Angela Merkels Rede am Städtetag in Erfurt kam per Live-Videostream aus Berlin.APA/AFP/JENS SCHLUETER
  • Drucken

"Die vierte Welle trifft unser Land mit voller Wucht“, mahnt die deutsche Kanzlerin und fordert klare Maßnahmen. Merkel prangert außerdem die Zunahme von Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker an.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die gegenwärtige Lage in der Corona-Pandemie als dramatisch. Auch wenn es politisch keine Mehrheit für die Verlängerung der Epidemischen Notlage von nationaler Tragweite gebe, "kann es für mich keinen Zweifel daran geben, dass wir uns mitten in einer solchen Notlage befinden", sagte Merkel am Mittwoch auf dem Deutschen Städtetag. Sie mahnte bei den anstehenden Bund-Länder-Beratungen am Donnerstag ein klares Signal ein.

"Die vierte Welle trifft unser Land mit voller Wucht", sagte Merkel in einer in Erfurt per Video zugeschalteten Rede. Die Zahl der Corona-Fälle, -Intensivpatienten und -Toten steige. Die Beratungen mit den Ministerpräsidenten seien "überfällig", machte sie deutlich.

Nötig sei etwa ein Beschluss, ab welcher Hospitalisierungs-Inzidenz weitere Corona-Einschränkungen kommen müssten, forderte Merkel. Diese Inzidenz gibt an, wie viele Corona-Infizierte innerhalb einer Woche auf 100.000 Einwohner in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen. Es wäre "eine Katastrophe", erst dann zu handeln, wenn die Intensivstationen voll seien.

„Nationale Kraftanstrengung“ für dritte Impfung

Zudem sei eine "nationale Kraftanstrengung" nötig, um sehr schnell Auffrischungsimpfungen vorzunehmen. Dem Virus sei es völlig egal, wer in Deutschland gerade regiere oder wer den weitesten Weg von früheren Positionen zu nun nötigen Maßnahmen zurückzulegen habe, sagte Merkel in Anspielung auf die Ampel-Parteien SPD, Grünen und FDP und deren Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Einziges Kriterium der Beratung der Spitzen von Bund und Ländern müsse sein, was jetzt mitten in der vierten Pandemie-Welle gegen die aktuelle dramatische Lage getan werden könne. Merkel hatte sich für eine Verlängerung der Epidemischen Lage ausgesprochen, die Ampel-Parteien lehnen dies ab.

Merkel sagte, sie sei "in tiefer Sorge" über die Lage in einigen Ländern. Oberstes Ziel sei, eine Überbelastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und so Menschenleben zu schützen. Dazu gehöre, dass Corona-Patienten, aber auch alle anderen eine bestmögliche Behandlung bekommen könnten. Die "bittere Wahrheit" sei, dass dies in am schwersten betroffenen Landkreisen schon nicht mehr möglich sei.

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erwartet von der anstehenden Bund-Länder-Runde am Donnerstag klare Signale für eine schnelle Eindämmung der Corona-Welle. Gebraucht werde "ein Weckruf, um ein pandemiemüdes Deutschland wieder ein Stück wachzurütteln", sagte der CDU-Politiker beim "Wirtschaftsgipfel" der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin. In den Beratungen Merkels mit den Ministerpräsidenten sollte unter anderem ein einheitliches Vorgehen abgestimmt werden, ab wann und unter welchen Bedingungen Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) greifen sollen - oder auch 2G plus, wobei Geimpfte und Genesene zusätzlich noch einen negativen Test vorlegen müssen.

Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker

Merkel kritisierte am Städtetag außerdem die Zunahme von Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker. Umso mehr Anerkennung verdiene die tägliche Arbeit der Bürgermeister und Oberbürgermeister in Deutschland, sagte Merkel bei der Videoschaltung. Gerade in der Corona-Pandemie, bei der Deutschland derzeit in einer sehr, sehr schwierigen Zeit stecke, seien die Kommunen enorm gefordert.

Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) sagte, mehr als die Hälfte der Kommunalpolitiker in Deutschland sei schon einmal beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen worden. Jeder Fünfte habe bereits über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht, aus Sorge um die eigene oder die Sicherheit seiner Familie. Meinungsfreiheit höre auf, wo gehetzt, Hass gesät, verleumdet oder Menschen anderer Kultur oder Religion anfeindet würden, sagte Jung.

(APA/Reuters/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

In Deutschland werden viele Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie wieder verschärft. Das Gesundheitssystem steht vor einer Belastungsprobe.
Pandemie

Deutschland fehlen Tausende Krankenhausbetten

Während die Corona-Neuinfektionen auf Rekordniveau steigen, melden die Krankenhäuser nicht nur weniger freie Plätze in ihren Intensivstationen – es gibt auch insgesamt weniger Betten.
Hochrisiko-Gebiet

Deutschland: Quarantäne für Kinder bei Einreise aus Österreich bleibt

Harter Schlag für den österreichischen Wintertourismus: Kinder unter 12 Jahren, die auch in Deutschland derzeit nicht geimpft werden können, müssen nach einem Österreich-Urlaub in Qurantäne.
Corona-Pandemie

Deutschland: Impfpflicht und 3-G in der Bahn

Während sich in Bayern und Sachsen die Intensivstationen füllen, demonstriert die wohl künftige Ampelkoalition, wie ihre Coronapolitik aussehen wird.
Wer künftig ein öffentliches Verkehrsmittel nutzen will - im Bild ein Bus in Berlin bei der Gedächtniskirche - soll geimpft, genesen oder getestet sein.
"Ampel"-Koalition

Deutschland plant 3-G-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln

Die Koalitionsverhandler SPD, Grüne und FDP sind angesichts steigender Neuinfektionen unter Zugzwang. Es könnte weitere Kontaktbeschränkungen geben - auch nur für Ungeimpfte.
Drohende Überlastung der Intensivstationen im Südosten Deutschlands befürchtet.
Covid-Pandemie

Deutschland in der vierten Covid-Welle: „Jeden Tag werden 200 sterben“

Die Bundesregierung in Berlin erklärt Österreich zum Hochrisikogebiet, doch auch im eigenen Land entgleitet die Situation. Auch Frankreich verschärft Regeln für Einreisen aus Österreich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.