Fortsetzung im Kino

Unser Opa, der Ghostbuster

Ghostbusters: Legacy
Ghostbusters: LegacySony Pictures
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Gespenster, Marshmallow-Männchen, Protonenstrahler: Ziemlich sentimental und ein wenig verschmitzt mythisiert Regisseur Jason Reitman in „Ghostbusters: Legacy“ die Schöpfung seines Vaters. Und lässt die Geisterjäger-Enkeln ran.

Als 1984 ein Schaumgummimann in Godzilla-Größe durch die Stadtschluchten von New York City stampfte, war das ein fulminantes Finale für die Fantasy-Komödie „Ghostbusters“. Ivan Reitmans Spukspaß mauserte sich dank bestem komödiantischem Timing, großartig-launiger Besetzung (Bill Murray! Dan Aykroyd! Sigourney Weaver!), einem beherzten Griff in die Trickkiste und Ray Parker Jr.s eingängigem Titellied („Who you gonna call? Ghostbusters!“) zu einem der erfolgreichsten Filme der Dekade.

„Ghostbusters“ war auch ein so beherztes wie naives Spiel mit Americana, eine Eloge auf den Big Apple, ein Kniefall vor dem entfesselten Konsumerismus der Reagan-Ära (inklusive eines ausufernden Product Placements) und eine Beschwörung von US-Ikonen: In der Fortsetzung von 1989 steuern die Geisterjäger gar die zum Leben erweckte Freiheitsstatue Richtung Weltrettung. Beinahe vier Jahrzehnte später ist der Originalfilm selbst zum kultisch verehrten Gut geworden. Eine gusseiserne und bisweilen toxische Fankultur straft jedwedes Herumbasteln daran sofort ab. So geschehen 2016, als ein (tatsächlich missglücktes) Reboot mit vier Geisterjägerinnen schon im Vorfeld von einer Hasskampagne überrollt und auch deshalb zu einem kommerziellen Fiasko wurde.

Der neue „Ghostbusters“-Film, der nun im Kino anläuft, will sich daher eindeutig als offizielle Fortschreibung der Ursprungsgeschichte verstanden wissen: Der Untertitel „Legacy“ bezeichnet deren „Vermächtnis“ gleich wörtlich. Als Regisseur wurde der auf qualitativ wechselhafte Indie-Komödien abonnierte Jason Reitman verpflichtet, der die Schöpfung seines Vaters Ivan in die Jetztzeit hieven darf (oder muss).

Eine erste schlaue Idee des Drehbuchs, das er gemeinsam mit dem Spukfilmspezialisten Gil Kenan („Monster House“) verfasst hat, ist die Umsiedlung des Geschehens von New York City in die Pampa von Oklahoma, wo rostzerfressene Baracken in der orangefarbenen Sonne glitzern und Ölpumpen im ewig gleichen Rhythmus ihren Dienst verrichten. Summerville heißt das Kaff, in das es eine alleinerziehende Mutter mit ihren beiden Kindern verschlägt, „Dirt Farm“ schimpft sich die Bruchbude, die sie von ihrem unlängst verstorbenen Vater geerbt hat. Der war niemand geringerer als Dr. Egon Spengler, einer der originalen Geisterjäger, der bereits vor vielen Jahren mit Kollegen und Familie gebrochen und sich als Eigenbrötler ins Exil begeben hat. Während seine Tochter Callie (Carrie Coon) ihm das nie verzeihen konnte, machen sich die Enkeln Trevor (Finn Wolfhard) und Phoebe (fantastisch: McKenna Grace) mit viel Offenheit und Neugier daran, die Geheimnisse seiner zerbröckelnden Heimstatt aufzudecken.

Schicht um Schicht legen sie das „Ghostbusters“-Vermächtnis frei. Unter Dielenbrettern versteckt sich eine Geisterfalle, in der Garage schlummert das ikonische Auto mit der Nummerntafel ECTO-1 und im Erdkeller, den man – eine von Dutzenden Verbeugungen vor dem Originalfilm – nur über eine Rutschstange erreichen kann, lagern die Protonenstrahler, probatestes Instrument zum Einfangen von paranormalen Entitäten.

Nostalgie wie in „Jurassic World“

Jason Reitmans Film musealisiert und mythisiert seine eigene Schöpfungsgeschichte nicht ironisch distanziert und mit Meta-Ambition, sondern hochgradig sentimental und ein wenig verschmitzt. Darin erinnert er frappant an Colin Trevorrows „Jurassic World“, in dem die Helden zwischen Dschungelgrün Fahrzeuge und andere Zeitzeugen aus dem Spielberg-Original freilegen. Die Spengler-Enkerl ahnen schnell, dass ihr Opa keine wunderliche Grantscherbn gewesen ist, sondern gewusst hat, dass sich in einem nahen Ölbohrloch (wo sonst?) ein Höllentor befindet, das drauf und dran ist, sich zu öffnen.

Die Staffelübergabe der Geisterjägerei an eine jüngere Generation gelingt. Beim Spuktreiben verlässt sich Reitman ganz auf die fantastischen Kreationen seines Vaters. Ein rundliches, gefräßiges Gespenst zollt dem giftgrünen Slimer aus den Achtzigern Tribut, Miniaturausgaben des Marshmallow-Manns terrorisieren einen Supermarkt, und erneut verwandeln sich zwei Menschen, Callie Spengler und der ulkige Lehrer Chad Grooberson (spitze: Paul Rudd), in Höllenhunde, um die Ankunft des androgynen Bösewichts Gozer (Olivia Wilde) vorzubereiten.

Dass die finale Konfrontation eher enttäuschend ist, fällt bei all dem Nostalgie-Gewitter kaum mehr ins Gewicht. Im letzten Akt machen die originalen Geisterjäger ihre Aufwartung: Der bereits 2015 verstorbene Harold Ramis darf als Geist von Dr. Egon Spengler wiederkehren und auch Sigourney Weaver absolviert einen herrlichen Kürzestauftritt, allerdings erst nach dem Abspann. Ob „Ghostbusters: Legacy“ mit seiner Beschwörung von Geistern der Vergangenheit ein junges Publikum erreichen kann, wird man sehen. Für alle, die sich nach unbeschwertem Spektakelkino jenseits von Superhelden und Digitalschlachten sehnen, ist die Fantasy-Komödie ein Geschenk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2021)

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