Lobbying: Die im Dunkeln sieht man nicht

Lobbying Dunkeln sieht nicht
Lobbying Dunkeln sieht nicht(c) Clemens Fabry
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Die Affäre um einen ÖBB-Lobbyisten wirft ein grelles Licht auf die Intransparenz, die das einträgliche Geschäft mit der „direkten Beeinflussung von Entscheidungsträgern“ hierzulande umgibt.

ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker wird jetzt wohl gehen müssen: Das Tonbandprotokoll der Bahn-Aufsichtsratssitzung, in dem er recht freimütig über das merkwürdige „Lobbying“ in Zusammenhang mit der Übernahme der ungarischen Güterbahn (MAV Cargo) diskutiert, sollte dafür eigentlich reichen. Auch wenn sich Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) noch hinter ihren Chef-Eisenbahnkontrollor stellt.

Wie gestern berichtet, hat ein ungarischer Lobbyist von den ÖBB 7,1 Mio. Euro erhalten, um für die ÖBB zu lobbyieren. In Pöchhackers Worten, um „in der richtigen Sekunde den richtigen Minister anzurufen“. Im (der „Presse“ vorliegenden) Dienstleistungsvertrag vom 29. Juni 2007 wird die Ein-Mann-Lobbyingagentur Geuronet jedenfalls beauftragt, Strategien auszuarbeiten, Medien zu beobachten, das Projekt den Medien zu präsentieren und den Auftraggeber ÖBB beim Akquisitionsprozess „in jedweder anderen Weise“ zu unterstützen.

Hinter Letzterem vermutet die ungarische Staatsanwaltschaft den Versuch, durch Amtsträgerbestechung zum Geschäftsabschluss zu kommen. Konkrete Verdachtsmomente gibt es aber nicht. Als Honorar waren 10.000 Euro pro Monat plus 1,75 Prozent des Kaufpreises als „Erfolgsprämie“ vereinbart.

Dass nicht alle Aufsichtsräte informiert waren und auch nur ein einziger ÖBB-Cargo-Vorstand (Gustav Poschalko) den Vertrag unterzeichnet hat, sorgt jetzt für Unruhe und wird wohl noch staatsanwaltliche Ermittlungen auslösen.

Die auf dem Band von der Aufsichtsratssitzung dokumentierte Rechtfertigung Pöchhackers, es sei „naiv“ zu glauben, man könne ohne solches „Lobbying“ in „gewissen Ländern“ Geschäfte im Umkreis der öffentlichen Hand machen, hat freilich einiges für sich. Pöchhacker war früher Generaldirektor des Baukonzerns Porr – und wird als solcher wissen, dass zu diesen „gewissen Ländern“ nicht nur ehemalige Ostblockstaaten, sondern auch Österreich gehören. Wer das nicht glaubt, gebe einmal in eine gute Internet-Suchmaschine Begriffe wie „Meischberger“, „Autobahn M6“, „Porr“, „BIG“ oder „Buwog“ ein. Auch die Suche unter „Eurofighter“ könnte erhellend sein.

Politisch vernetzte Lobbyisten

Man wird finden, dass sich im Umfeld solcher öffentlicher Vorgänge jede Menge politisch vernetzter „Lobbyisten“ tummeln, die offen (über Honorare) oder verdeckt (etwa über die Organisation völlig überteuerter Pressekonferenzen) ihre Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern vergolden.

Pöchhacker ist also Realist. Und nur völlige Naivlinge glauben, dass öffentliche Ausschreibungen irgendetwas mit objektivierter Auftragsvergabe zu tun haben. Das ist ein weltweites Phänomen.

Das Problem hierzulande ist, dass es keine wirklichen, verbindlichen Transparenzregeln für Lobbyismus gibt und sich deshalb bei öffentlichen Auftragsvergaben vieles in diesem schmierigen, halbseidenen Bereich abspielt. Und damit übrigens den seriösen Teil des Lobbyismus, der sich mit der „Beeinflussung von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung“ (so eine der Definitionen von Lobbying) abseits von Korruption befasst, mit ins Schmuddeleck zieht.

Eine vorbildliche Transparenzregelung für Lobbyisten haben die USA: Dort muss alles auf den Tisch. Dort werden zwar auch Abgeordnete oder Gesetze von Interessengruppen „gekauft“, aber die dazugehörigen Parteispenden müssen deklariert werden. Es kann sich jeder seinen Reim darauf machen, wenn etwa, wie 2000 geschehen, kurz vor der Markteinführung des benzinfressenden „Hummer“ in den USA die gesetzliche Verbrauchsobergrenze für Autos aufgehoben wird. Nach einer beträchtlichen Spende der US-Autoindustrie an die Republikaner.

Österreichische Eigenheiten

Hierzulande läuft das anders: Da werden Lobbyisten versteckt Millionen zugeschoben. Ob und wieviel davon in irgendeiner Form an Entscheidungsträger weitergereicht wird oder gar als „Kickback“ an Parteien fließt, bleibt im Dunkeln. Da hätte der Gesetzgeber größeren Handlungsbedarf. Die Frage ist, ob er auch Interesse hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2010)

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