Morgenglosse

Nun ist der Terror ein Virus

Impfpass fürs Punschtrinken. Wer hätte das vor zwei Jahren noch gedacht?
Impfpass fürs Punschtrinken. Wer hätte das vor zwei Jahren noch gedacht?APA/GEORG HOCHMUTH
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Die Freiheit, die sich alle wünschen, wird nur durch Zwang erreicht werden können.

Die feuchte Nebelkälte kriecht in die Knochen, während man steht und wartet, die Schlange bewegt sich nur langsam voran. Rund zwei Stunden beträgt die Wartezeit vor der Impfbox am Rathausplatz, die Formalitäten brauchen Zeit, der junge Arzt nimmt sich Zeit für ein ausführliches  Gespräch mit jedem. Er impft den ganzen Tag schon, es gibt keine Ablöse.

Zwei Meter links lachen Menschen in Gruppen, genießen die zauberhafte Stimmung am Christkindlmarkt. Die Absperrungen und die Sicherheitskräfte trüben das unbeschwerte Bild. Als es zuletzt Eingangskontrollen gab zu dieser Glitzerwelt, hatte man Angst vor einem Terroranschlag. Nun ist der Terror ein Virus.  

Gegenüber, neben dem Burgtheater, stehen Demonstranten gegen die Coronapolitik des Landes und brüllen ins Megafon, dass die Freiheit stirbt und gesunde Kinder niedergespritzt werden. „Halt die Gosch’n“, schreit ein Passant. Die Demonstranten sind flankiert von Polizisten.

Drei grundverschiedene Welten tun sich hier innerhalb von knapp fünfzig Metern auf, und alle sind real. Der Wunsch nach Unbeschwertheit eint die Menschen mit dem Punsch, mit dem Megafon, mit dem ausgefüllten Impfzettel in der Hand. Es hat keinen Sinn mehr, überzeugen zu wollen, von der einen Richtung nicht und von der anderen ebenso wenig. Dass der Wunsch nach Freiheit offenbar nur mit Zwang und Verboten erfüllt werden kann, auf dem Rücken derer, die im Auge des Sturms arbeiten müssen, und jener, die ums Überleben kämpfen, ist eine Schande, deren Aufarbeitung noch lange dauern wird.

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