Rote Säulen, goldene Balkone: der Grabenhof im prunkvollen Stil der Gründerzeit.
Hausgeschichte

Grabenhof: Historische Schatztruhe findet neuen Eigentümer

Die geschichtsträchtige Adresse Graben 14-15 ist um eine Historie reicher: Der 1874 erbaute Grabenhof wurde von der ÖBV um 327,5 Mio Euro verkauft. Was die Ärztekammer Wien nun mit dem Neuerwerb plant

„Bei diesem Angebot konnten wir einfach nicht Nein sagen“, berichtet Josef Trawöger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Beamtenversicherung (ÖBV), von der außergewöhnlichen Transaktion des Hauses am Graben 14–15 in der Wiener Innenstadt: In dieser Lage und in dieser Höhe ein extrem seltenes Geschehen.
Dabei wollte die ÖBV das geschichtsträchtige Gebäude, seit 1984 in deren Besitz, eigentlich gar nicht loswerden. „2019 ist erstmals aktiv ein Interessent an uns herangetreten, durch Corona hat sich das dann zerschlagen“, erzählt Trawöger.
Doch der Funke war gezündet, immer wieder erreichten Anfragen zum Grabenhof die ÖBV. „So haben wir uns entschlossen, einen Verkauf ins Auge zu fassen, und das in einem ordentlichen Verfahren und Auswahlprozedere abzuwickeln“.

Drei der inzwischen acht Interessenten stellten im Frühjahr 2021 schließlich verbindliche Anbote, „die wir, nicht nur vom finanziellen Aspekt her, geprüft haben. Wir haben uns natürlich auch die Qualitätskriterien des Gegenübers angesehen“, berichtet Trawöger. „Unser Denkhorizont ist ja langfristig, wir wollen keine schnellen Geschäfte machen, sondern die 330.000 Mitglieder unseres Unternehmens in ihrem Sinne vertreten“, sagt er zu den Überlegungen der 1895 gegründeten ÖBV, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Blick auf den Graben um 1890, der Grabenhof befindet sich in der Mitte links.
Blick auf den Graben um 1890, der Grabenhof befindet sich in der Mitte links.gemeinfrei

Die Wiener Ärztekammer bekam schließlich den Zuschlag, für rund 30.000 Euro/m2. Die Eintragung ins Grundbuch erfolgte am 17. November. „Wir freuen uns sehr“, meint Hans-Peter Petutschnig, Sprecher der Ärztekammer für Wien. „Das ist schließlich eines der bedeutsamsten Gebäude der Wiener Innenstadt.“

Prestigeobjekt der Militärbau-Gesellschaft

Geplant wurde das mehr als 10.000 Quadratmeter fassende Gebäude 1874 vom damaligen Stararchitekten Otto Thienemann (unter Miteinbeziehung Otto Wagners). Thienemann war auch als Chefarchitekt der Kronprinz-Rudolf-Bahn tätig und Direktor der Österreichischen Militärbaugesellschaft (die übrigens seit 1873 die Eigentümerin des Vorgängerbaus war, der für den Neubau abgerissen wurde). Er verlieh dem Haus durch ionische Säulen im Obergeschoß einen fast loggiaartigen Charakter. Das Dach wurde 1947 von Alfons Hetmanek – nach schweren Kriegsschäden – ausgebaut, auch im Erdgeschoß wurde und wird immer wieder umgebaut.

Oben Büros und Wohnungen, unten Geschäfte: typischer Nutzungs-Mix am Graben.
Oben Büros und Wohnungen, unten Geschäfte: typischer Nutzungs-Mix am Graben.(c) Christopher Dickie

Die Nutzung ist gemischt: Gewerbe im Erdgeschoß, Büros und Wohnungen darüber. Der Innenhof und die Kellerräume wurden für Veranstaltungen genutzt, die ÖBV hielt hier etwa bis 2008 die Grabenhof Musiktage ab.
Apropos Musik: Am 18. Juni 1994 wurde eine Gedenktafel für Josef von Sonnleithner enthüllt, der in dem bis 1874 an der Stelle des heutigen Grabenhofes befindlichen Arkadenhaus lebte. Er wurde durch die Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde 1814 in Wien berühmt.

Schanigarten-Erfinder: Café Taroni im Arkadenhaus

Der Vorgängerbau, das Arkadenhaus, wurde bereits im 16. Jahrhundert gebaut und beherbergte unter anderem das berühmte Café Taroni. Besitzer Johann Jakob Tarone ließ ab 1754 ein Zelt mit „Erfrischungswasser“ errichten – das Limonadezelt, auch Gifthütte genannt, zu dem auch Frauen Zutritt hatten. Er gilt damit als Begründer der „Sommerkaffeehäuser“ und Schanigärten. In den hinteren Räumen des Erdgeschoßes befanden sich im 16. und 17. Jahrhundert die Arrestlokale des Stadtgerichtes. Später waren sie als Magazine der Musikalienhandlungen Diabelli/Spina im Einsatz.
Doch auch das Arkadenhaus war nicht das erste an dieser Stelle, die Historie der Adresse reicht bis 1350 zurück. Erwähnt wurde damals, mit der Konskriptionsnummer 1133, das Freiherr von Selb'sche Haus mit Eigentümer Dietrich Urbetsch, der als Bürgermeister, Münzmeister und Stadtrichter tätig war, und mit Nummer 1134 das Haffnersche Haus, dessen Barbarakapelle 1782 nach dem Erlass Josef II. aufgelassen wurde.

Die Ärztekammer für Wien möchte den Grabenhof jedenfalls nicht weiterverkaufen, auch kurzfristig sind keine Änderungen geplant. Petutschnig: „Wir investieren seit Jahren Mittel des Wohlfahrtsfonds – der Vorsorgeeinrichtung für die Mitglieder der Ärztekammer zur Absicherung von Pensionen oder Berufsunfähigkeit – in ausgesuchte Immobilien. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Werthaltigkeit der Investitionen gelegt.“ Mittel- und langfristig soll der Ertrag des Hofs gesteigert und so ein Beitrag zur Absicherung des Vermögens des Wohlfahrtsfonds geleistet werden.

Zum Ort, zum Objekt

Vier Häuser sind seit 1350 an der Adresse Graben 14–15 vermerkt: Im Mittelalter das Selb'sche und das Haffnersche Haus, in der Renaissance der Arkadenhof, ab 1874 der von Otto Thienemann erbaute Grabenhof, der nun um 327,5 Mio Euro den Besitzer wechselte. Neue Eigentumswohnungen kosten im 1. Wiener Bezirk durchschnittlich zwischen 4765 und 17.403,07 Euro/m2, Geschäftslokale bis zu 332,50 Euro/m2 an Miete pro Monat.

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