Kolumne zum Tag

Die Fans sind längst weitergezogen

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Immer wieder wurde das Konzert verschoben. Nun soll es im Februar 2022 stattfinden. Wahrscheinlich.

Zu Weihnachten 2019 gab es Tickets für das heiß ersehnte Konzert von Capital Bra in der Wiener Stadthalle. Das ist jener Rapper, der von Gucci, Tilidin und Notrufnummern singt und dafür von einer eingeschworenen, recht jungen, vorwiegend männlichen Fangemeinde bewundert wird. Das Konzert, das für Mai 2020 angesetzt war, hat bis heute nicht stattgefunden.

Der mittlerweile dritte Termin, auf den es verschoben wurde, ist im Februar 2022. Blöderweise haben sich die Beschenkten musikalisch weiterentwickelt, was grundsätzlich positiv ist, aber das einst beste Geschenk der Welt löst mittlerweile nicht mehr ganz so große Begeisterung aus. Falls es anderen Jugendlichen ebenso geht, werden sich bei dem Konzert wohl vor allem jene treffen, die für sich als Anstandswauwau damals gezwungenermaßen Karten gekauft haben. Die ehemaligen Fans, die mittlerweile auch keine Begleitung mehr dulden, haben ihre Tickets längst verscherbelt.

So schnell ziehen Fans weiter. Gut, dass man im eigenen Fall nur Karten für Bands gekauft hat, die schon seit mehr als 30 Jahren auftreten und daher immer wieder so gut genießbar sind wie ein Schnitzel beim Wirt. Wobei bei alten Bands die Gefahr besteht, dass sie es bei weiteren Verschiebungen gar nicht mehr allein auf die Bühne schaffen.

Man muss die Dinge in der Reihenfolge essen, in der sie heiß sind, erklärt mir ein alltagsgewitzter Kollege, als er entschlossen die Hauptspeise vor der Suppe isst. Das habe er zuerst beim Bundesheer gelernt und danach auf der Uni-Mensa perfektioniert: Iss niemals die Suppe zuerst. Sie sei zu heiß, während die Hauptspeise in der Zwischenzeit noch mehr auskühlt. Mit verbrannter Zunge merkt man dann zwar nicht, dass das Essen lauwarm ist, enttäuschend sei es dennoch.

Diese gemeinsame Mittagspause im selben Raum wird am nächsten Tag rückwirkend zum Abschiedsessen für längere Zeit. Wir sind wieder im Home-Office. Die Suppe hätte noch viel heißer sein können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2021)

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