Der Polizeieinsatz sei trotz aufgeheizter Stimmung und widriger Umstände gut gelungen, bilanzierte Innenminister Karl Nehammer. Es kam zu 400 Anzeigen und sechs Festnahmen.
400 Anzeigen, davon 36 strafrechtliche, 12 Anzeigen nach dem Verbotsgesetz, sechs Festnahmen, zwei leicht verletzte Polizisten: Hält man sich die Bilder der wütenden Menge an Demonstrierenden vor Augen, die am Samstag durch die Wiener Innenstadt zogen, erscheint die nüchterne, vorläufige Bilanz in Zahlen geradezu überraschend gering. Für Innenminister Karl Nehammer und den Wiener Landespolizeivizepräsidenten Franz Eigner sind sie doch Ausdruck eines gelungenen Polizeieinsatzes trotz widrigster Bedingungen.
„Gottlob haben wir keine wirklichen Gewaltexzesse erlebt“, sagte Eigner bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Demo mit 40.000 Teilnehmern. Die wenigen, die doch versucht hätten, Gewalt zu schüren, hätten dies aber „mit hoher Aggressivität" getan. So wurde einem Polizisten versucht, die Waffe zu entreißen, ein anderer wurde mit einer unbekannten Flüßigkeit besprüht. Besonders schwerwiegend sei auch der Versuch eines Demonstranten, den Piloten des Polizeihubschraubers mit einem Laserstrahl zu blenden. „Es war ein Laser der Klasse Drei, der wirklich gefährlich ist“, so Eigner. „Man darf sich nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn der Hubschrauber in die Menschenmenge gesaust wäre.“
Die Ausgangslage für die Polizeibeamten sei besonders herausfordernd gewesen, sagte Nehammer, hatte doch die Polizei in der Woche davor die 2G-Regeln in der Öffentlichkeit zu kontrollieren. 150.000 Kontrollen habe man in ganz Österreich durchgeführt: „Es war eine forderndsten und extremsten Wochen“, sagte Nehammer. Schon hierbei sei klar gewesen, dass sich die Stimmung unter jenen Menschen, die nicht geimpft sind, „deutlich radikalisiert“ hat. Dies habe auch ein Brandanschlag auf ein Polizeiauto in Linz klar gemacht.
Neonazis und Holocaust-Verharmloser
Abermals habe eine Gruppe versucht, die Demonstration, die sich aus verschiedensten Gruppen zusammensetzte, für sich zu kapern, nämlich die rechtsextreme Szene, „Neonazis und altbekannte und neue Rechtsextreme“, so Nehammer. Außerdem hätten sich "gewaltbereite Hooligangruppen einzelne Scharmützel mit der Polizei geliefert", berichtete Nehammer. Unter dieser aufgeheizten und teilweise aggressiven Stimmungslage sei klar gewesen, dass man verhältnismäßig und möglichst deeskalierend vorgehen müsse. „Dass die Demonstration so friedlich abgelaufen ist, ist dem Einsatz der Beamten geschuldigt“, sagte Nehammer.
Dennoch sei das Verhalten mancher Demonstranten „inakzeptabel“ gewesen, vor allem die Verharmlosung des Holocaustes: Menschen, die an den „Judenstern“ angelehnte gelbe Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ trugen oder Schilder, auf denen der Bundeskanlzer Alexander Schallenberg „mit dem Mörder Josef Mengele“ verglichen wurde.
Angriffe auf Journalisten
Mehrfach waren bei der Demo auch Journalisten und Kamerateams angepöbelt und attackiert worden, mehrere Medien stellten ihren Mitarbeitern Securitys zur Seite. Eigner berichtete von einem Fall, bei dem ein Journalist angegriffen wurde. "Der Täter wurde Stunden später wiedererkannt und zur Anzeige gebracht", erläuterte Eigner. Der Landespolizeirektion ist zumindest ein weiterer Fall bekannt. Am Ballhausplatz wurde ein Kameramann attackiert und verletzt, Polizisten schritten ein und zeigten drei Personen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung an.
Gegenstand der Ermittlungen ist noch jene Gruppe an Menschen, die sich als Polizisten ausgegeben hatten und auf einem Transparent „Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte“ plakatierten. „Wir wissen noch nicht mit Sicherheit, wer das war“, sagte Eigner. Nach jetzigen Informationen waren es keine Polizisten, sondern deutsche Staatsbürger, möglicherweise deutsche Polizisten. Dies sei jedoch noch nicht verifiziert, so Eigner.
Viele Menschen seien entsetzt gewesen, warum so eine Versammlung überhaupt möglich ist, sagte Nehammer. Doch das Versammlungsrecht sei in der Verfassung verankert, die Polizei müsse jede, auch eine solche Demo zulassen, solange sie keine Gefährdung darstelle.
Weg zur „Freiheit“ durch Impfung
Nehammer schloss seine Bilanz mit einem Aufruf zur Impfung: „Wir erleben eine Zeit, die für die Menschen eine große Belastung darstellt, wir sind kurz vor dem nächsten Lockdown. Für die Geimpften ist das eigentlich eine Zumutung.“ Man habe auf den Transparenten und Schildern der Demonstranten oft den Begriff „Freiheit“ lesen können. Jenen müsse man klarmachen, dass es „sehr wohl wieder eine Freiheit geben kann“. „Wir müssen denen, die Österreich-Flaggen geschwenkt haben, klarmachen, dass die Impfung der Weg in die echte Freiheit ist, die wir alle in unserem Land verdienen.“
FPÖ: Gigantisches Zeichen der Freiheit
Die FPÖ sah sich in einer Aussendung durch das Resümee von Nehammer und Eigner darin bestätigt, "welch ein gigantisches, friedliches und starkes Zeichen für Freiheit und Menschenwürde sowie gegen Schikane, Demütigung und Willkür am Samstag in Wien von bis zu 100.000 Menschen gesetzt wurde", meinte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Er bedankte sich bei den Polizisten und den friedlichen Teilnehmern der Demonstration.
Bei der Pressekonferenz hatte Eigner erläutert, dass die Einschätzung der Exekutive auf 40.000 Teilnehmer wohl recht realitätsgetreu sei. Vom Polizeihubschrauber aus seien Luftbildaufnahmen erstellt worden. Der Demozug um den Ring sei ungefähr vier Kilometer lang gewesen, je nach Dichte haben auf einem Quadratmeter zwei, drei oder vier Menschen Platz, so haben man die 40.000 Personen errechnet.
Mitreden: Was halten Sie vom Krisenmanagement der Regierenden? Diskutieren Sie mit!