Der stellvertretende CDU-Fraktionschef Thorsten Frei sieht eine allgemeine Impfpflicht derzeit als unverhältnismäßig an. Die Junge Union und die CSU hatten sich dafür ausgesprochen.
Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag stellt sich gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht. "Einer allgemeinen Impfpflicht im Sinne einer Zwangsimpfung stehe ich sehr skeptisch gegenüber", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Thorsten Frei (CDU) der Zeitung "Die Welt". Sie dürfte "wegen des schwerwiegenden Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auch unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sein".
Mit Verweis auf besonders gefährdete Gruppen könne er sich aber bereichsspezifische Impfnachweispflichten unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durchaus vorstellen, analog zur verpflichtenden Masern-Impfung für Betreuungspersonal, so Frei.
Merkel will keine Empfehlung abgeben
Die scheidende deutsche Bundesregierung will sich aus der Debatte heraushalten. Diese sei jetzt aufgekommen, da deutlich geworden sei, dass man mit Aufklärung und Werben für die Impfung allein nicht weiterkomme, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "Eine Entscheidung darüber gibt es jetzt nicht und sie würde auch von dieser Bundesregierung nicht mehr gefällt."
Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei eine solche Verpflichtung vorstellbar, sagte allerdings ein Sprecher des deutschen Justizministeriums. Diese bedürfte allerdings einer gesetzlichen Grundlage und eine entsprechende Regelung müsste auch "verhältnismäßig ausgestaltet sein". Hinzu kämen medizinische Fragen, die in einer anderen Bundesregierung dann vom Gesundheitsministerium geklärt werden müssten.
Bayern und Junge Union für Impfpflicht
Innerhalt der konservativen Union gibt und gab es aber auch vermehrt Stimmen, die sich für eine Impfpflicht ernsthaft nachdenken wollen. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek sagte etwa, er sei eigentlich immer ein Gegner einer Impfpflicht gewesen, aber inzwischen glaube er auch nach Empfehlungen der Wissenschaftsakademie Leopoldina und des Ethikrates, dass man relativ schnell über dieses Thema sprechen müsse, sagt der CSU-Politiker Montagfrüh im Deutschlandfunk. Er persönlich sei inzwischen „als Ultima Ratio“ für diese allgemeine Impfpflicht. Die Diskussion darüber sollte nicht verzögert, sondern unmittelbar aufgenommen werden. "Wir sind mitten in dieser Pandemie. Ich glaube, dass wir aus diese Endlosschleife tatsächlich nur rauskommen, wenn diese Impfpflicht auch kommt." Pro Impfpflicht hatte sich zuvor bereits der bayerische Ministerpräsident Markus Söder positioniert.
Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, sprach sich ebenfalls für eine Impfpflicht aus. "Jetzt ist ein Punkt gekommen, an dem wir ganz klar sagen müssen: Wir brauchen eine De-facto-Impfpflicht und einen Lockdown für Ungeimpfte", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Welt". Denn alle anderen Appelle seien bei den Ungeimpften verhallt.
SPD-Experte für, AfD gegen allgemeine Impfpflicht
Die SPD hält nach den Worten von Vizefraktionschef Dirk Wiese eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für möglich. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Sonntagabend in der Sendung "Die richtigen Fragen" des TV-Senders „Bild“ zu einer allgemeinen Impfpflicht: "Ich würde das auf keinen Fall mehr ausschließen und tendiere dazu zu sagen: Das hilft uns jetzt nicht akut, aber wir müssen uns einer Impfpflicht nähern."
Auf Twitter schrieb Lauterbach, die derzeitige Coronapolitik in Deutschland sei "erfolglos."
Scharfe Kritik kam hingegen vom Vorsitzenden der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland". Er sagte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur, dass die vorhandenen Impfstoffe keine vollständige Immunisierung böten und auch "die Lage nicht verbessern" konnten. Mit Blick auf Günther oder Söder meinte Chrupalla, die "freiheitsfeindlichen Machtfantasien" der Unionspolitiker dürfen nicht umgesetzt werden. "Impfpflicht oder Hausarrest für Ungeimpfte ist keine Option", lehnte er auch einen Lockdown nur für Ungeimpfte ab.
(APA/Reuters)