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"Hellbound": Hexenverfolgung 2.0

Die Höllenmonster kommen: "Hellbound".
Die Höllenmonster kommen: "Hellbound".(c) Netflix (Netflix)
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In der neuen Netflix-Serie „Hellbound“ schüren Monster und eine Sekte soziale Spannungen. Eine südkoreanische Mystery- und Fantasy-Serie im „Squid Game“–Fahrwasser – die aber doch eigene Akzente setzt.

Die Boten der Hölle hinterlassen keine Spuren. So schnell, wie sie auftauchen, sind sie auch wieder weg. Was bleibt, sind die verkohlten Leichen der Delinquenten. Sie alle haben eine Todesprophezeiung erhalten. Und es nach Ansicht ihrer Mitbürger gar nicht anders verdient. Alles Schwerverbrecher, die ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Oder etwa nicht?

Wie „Squid Game“ ist die ebenfalls aus Südkorea stammende Mysteryserie „Hellbound“ ein überzeichneter Kommentar zu gesellschaftlichen Missständen, die mindestens so furchteinflößend sind wie die Monster, die darin in den Straßen von Seoul ihr Unwesen treiben. Anders als bei der bisher erfolgreichsten Netflix-Produktion geht es hier aber nicht um soziale Klüfte. Vielmehr befasst sich „Hellbound“ mit der Frage, wie brüchig unser Gesellschaftsgefüge ist, wie leicht eine Gemeinschaft kippt, wenn sich Menschen bedroht fühlen – und von dubiosen Meinungsbildnern manipuliert werden. Recht hat, wer sich auf der richtigen, der gerechten Seite wähnt. Das erinnert wohl nicht zufällig an die aktuelle Spaltung der Gesellschaft in der Coronakrise.

Fake News und „Die neue Wahrheit“

In „Hellbound“ bringen graue Monster Tod und Verderben, sie sehen aus wie eine Mischung aus Hulk und King Kong. Doch schlimmer noch als die bevorstehende Qual ist für jene, die von ihnen geholt werden, die Schmach, die mit einer Prophezeiung einhergeht. Schließlich glaubt dann jeder, dass man etwas auf dem Kerbholz hat. Warum, so wird den Menschen eingeredet, stünde man sonst auf der Schicksalsliste? Da wird eine Frau schon allein deswegen zur Verdächtigen, weil sie zwei Kinder allein erzieht: Ist sie eine schlechte Ehefrau gewesen? Hat sie ihre Männer gar ermordet? Fake News, eingeflüstert von einer sektenartigen Vereinigung namens „Die Neue Wahrheit“.

Sie macht sich die soziale Verunsicherung zunutze. Nach dem Motto: Wer sich nichts zuschulden kommen lässt, dem passiert schon nichts. Ihr Vorsitzender ist ein geschickter Demagoge. Er manipuliert die Massen, dirigiert Öffentlichkeit und Medien. Wer Kritik übt, wird im Netz mit Name und Adresse an den Pranger gestellt – und vom Schlägertrupp der Sekte zum Schweigen gebracht, der alles mit dem Handy filmt und online stellt. Oder die von einem durchgeknallten Voodoo-Priester im Neon-Outfit aufgestachelten Bürger üben selbst Lynchjustiz. Und laden das Schauspiel dann ebenfalls hoch, was frappierend an Prügelvideos und Hasstiraden in sozialen Netzwerken erinnert. Wer zur Zielscheibe wird, ist Freiwild: Hexenverfolgung 2.0.

Die reichen Unterstützer der „Neuen Wahrheit“ (und da sind wir doch wieder bei „Squid Game“) zahlen dafür, dabei zu sein, wenn jemandem die Stunde schlägt: Mit weißen Masken vor den Gesichtern sitzen sie in der ersten Reihe, als eine „Sünderin“ von den Höllenmonstern geholt wird. Die Ungeheuer kommen pünktlich: Tag und Uhrzeit der Vollstreckung werden bis auf die Minute genau vorhergesagt. Mystery eben. Den eigentlichen Horror verbreiten aber nicht die Dämonen, sondern die Meute. Am Ende baumeln Leichen mit Botschaften um den Hals von Straßenschildern. Als Symbol der Unmenschlichkeit im Namen derer, die meinen, auf der besseren, der richtigen Seite zu stehen.

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