Großbritannien

Die bizarre Peppa-Wutz-Rede ist nicht das größte Problem von Boris Johnson

Boris Johnson bei der Tagung des Indutrieverbands CBI.
Boris Johnson bei der Tagung des Indutrieverbands CBI.APA/AFP/POOL/OWEN HUMPHREYS
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Der britische Premier redete sich vor Industriellen in einen absurden Mix aus Moses, Lenin und die Comicfigur Peppa Wutz, während er abwesend durch seine Redeunterlagen blätterte. Seine Pflegereform brachte er nur mit Ach und Krach durchs Parlament.

Diese Rede von Boris Johnson wird ihn noch länger begleiten bzw. verfolgen. Der britische Premierminister verglich sich mit Moses, zitierte Lenin, imitierte Motorengeräusche und schwärmte von einem Besuch in einem Themenpark. Zwischendurch verlor er auf der Jahrestagung des Industrieverbands CBI sekundenlang den Faden und blätterte suchend durch seine Unterlagen. Zuhörer bezeichneten die Rede als "katastrophal" oder "bizarr". Und Johnson und dessen Reformen scheinen auch mehr und mehr an Rückhalt in seiner eigenen Partei zu verlieren.

Sein Zehn-Punkte-Plan für eine grüne industrielle Revolution ähnele den Zehn Geboten, die der Prophet Moses vom Berg Sinai mitgebracht habe, sagte Johnson am Montag. "Lenin hat einmal gesagt, die kommunistische Revolution sei die Sowjetmacht plus die Elektrifizierung des ganzen Landes. Die kommende industrielle Revolution ist Ökostrom plus Elektrifizierung des ganzen Landes."

Johnson warb zudem für elektrische Antriebe. "Als ehemaliger Autokorrespondent kann ich Ihnen sagen, dass Elektroautos vielleicht nicht wie gurrende Tauben brummen und vielleicht nicht das 'Brrrumm Brrrumm raa raa' haben, das Sie lieben, aber sie haben so viel Drehmoment, dass sie an der Ampel schneller starten als ein Ferrari."

Lobeshymne auf „Peppa Pig World"

Minutenlang lobte Johnson später den Themenpark „Peppa Pig World", den er am Vortag mit seiner Familie besucht hatte und der auf der Zeichentrickfigur Peppa Wutz basiert. Dort gebe es sichere Straßen, Disziplin in den Schulen und ein gutes Nahverkehrssystem, lobte er. Ein Schwein, das "wie ein Picasso-ähnlicher Haartrockner aussieht" - eben jene Figur namens Peppa Wutz, sei zu einem Exportschlager geworden. Das zeige für ihn die Kraft der britischen Kreativität, sagte Johnson und forderte die Zuhörer auf, den sechs Autostunden entfernten Park zu besuchen. Währenddessen blätterte Johnson immer wieder in seinen Unterlagen - offenbar, um den richtigen Einstieg in seine vorbereitete Rede wiederzufinden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Johnson mit skurrilen Vergleichen auffällt. Auf der UNO-Vollversammlung in New York bezog er sich zum Beispiel auf Kermit den Frosch. Solche Reden sehen manche Beobachter auch als Teil von Johnsons hemdsärmeligen Führungsstil, der bei vielen Briten gut ankommt. Doch diesmal fiel das Urteil verheerend sein. "Peinlich", "demütigend", "schockierend" - selbst konservative Medien, Johnson traditionell wohlgesonnen, zitierten ausführlich die Reaktionen anonymer Abgeordneter seiner eigenen Partei. Nun fragt sich das Land, ob der Premier denn noch den Rückhalt seiner Tories genießt. 

Die vorläufige Antwort: Jein. Am Montagabend stimmten 19 Konservative im Parlament gegen Johnsons umstrittene Sozialreform, vor allem aber enthielten sich Dutzende weitere. Trotz einer eigentlich üppigen Mehrheit brachte Johnson das Gesetz nur knapp durchs Unterhaus. Das riecht für viele Beobachter nach Misstrauensvotum.

Neue Vorwürfe: Die Dinner-Party

Noch stärker nachhallen könnten Berichte wie nun im "Daily Mirror". Demnach besuchten konservative Abgeordnete ein Dinner für Tory Spender, das Tausende Pfund pro Tisch gekostet haben soll. Von dort eilten sie dann ins Parlament, um für die Reform zu stimmen, die nach Einschätzung der Opposition ärmere Menschen dazu zwingen könnte, ihr Haus zu verkaufen, um ihre Pflege bezahlen zu können.

Für Johnson ist es der negative Höhepunkt der jüngsten Zeit. Wegen der Folgen von Brexit und Corona-Pandemie bleibt die wirtschaftliche Erholung aus. Probleme bei den Lieferketten führen zu Sorgen, dass Geschenke und der traditionelle Weihnachtsschmaus gefährdet sind. Über den Ärmelkanal kommen mehr Migranten illegal ins Land denn je zuvor. Die Peppa-Wutz-Rede und die Pflegereform haben den Ärger der
einflussreichen Hinterbänkler nun noch verstärkt.

Die ganze Rede von Boris Johnson können Sie hier nachsehen: Der Peppa-Wutz-Abschnitt startet ungefähr bei 23:30 Minuten.

(APA/dpa)

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