SPD, Grüne und FDP haben am Mittwochnachmittag ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. „Die Ampel steht“, sagte der designierte Kanzler Olaf Scholz (SPD). Er soll Angela Merkel im Dezember als Kanzler ablösen.
Die neue deutsche Regierung steht: Mit leichter Verspätung, ab 15.11 Uhr, haben SPD, Grüne und FDP am Mittwochnachmittag ihren Koalitionsvertrag präsentiert. „Die Ampel steht“, sagte der SPD-Politiker und designierte Kanzler Olaf Scholz. Und: "Uns eint der Glaube an den Fortschritt. Und daran, dass Politik etwas Gutes bewirken kann."
Erste Details der neuen Regierung waren schon im Vorfeld durchgesickert. So etwa die Verteilung der wichtigsten Ministerposten: Die Grüne Annalena Baerbock soll Außenministerin werden. Ihr Kollege Robert Habeck an der Grünen-Spitze wird nach den vorläufigen Informationen Vizekanzler und für Wirtschaft und Klima zuständig sein - und damit zum „Superminister und zweiten Machtzentrum innerhalb der rot-grün-gelben Ministerriege“, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb. Finanzminister wird offenbar FDP-Parteichef Christian Lindner.
Fraglich blieb zunächst, wer das Gesundheitsministerium übernehmen soll - ein zentraler Posten in der Corona-Pandemie. Sicher ist nur: der Posten geht an die SPD.
Corona-Pandemie: „Die Lage ist ernst“
Der designierte Kanzler Scholz ging gleich zu Beginn seiner Präsentation auf die dramatische Corona-Lage in Deutschland ein. „Die Lage ist ernst“, betonte er. Er kündigte an, einen Bund-Länder-Krisenstab im Bundeskanzleramt einrichten zu wollen sowie eine Expertengruppe, die die Corona-Lage täglich beurteilen soll. Für Gesundheitspersonal soll es einen Pflegebonus geben. Die neue Regierung will auch die Impfkampagne weiter forcieren. „Wir müssen impfen und boostern, um die Verbreitung des Virus einzudämmen“, so Scholz.
Scholz kündigte nach Abschluss der Verhandlungen mit Grünen und FDP eine "Koalition auf Augenhöhe" an. Ziel sei keine Politik "des kleinsten gemeinsamen Nenners", sondern gemeinsam "eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts", um "das Land besser zu machen".
Der 177 Seiten lange Koalitionsvertrag muss bei SPD und FDP jeweils durch Parteitage und bei den Grünen in einer Mitgliederbefragung gebilligt werden. Im Dezember - laut „Spiegel“ spätestens am 8. Dezember - soll Olaf Scholz zum Kanzler gewählt werden und damit die Nachfolge von Angela Merkel an der Regierungsspitze antreten.
Zu den wichtigsten Punkten des Koalitionsvertrags zählt unter anderem der Mindestlohn: Die neue Koalition will ihn auf zwölf Euro erhöhen und auch eine Kindergrundsicherung einführen. Künftig soll auch ein Wahlrecht ab 16 Jahren gelten. Die gesetzliche Rente wird durch eine Aktienrente ergänzt. Rentenkürzungen und die Anhebung des Renteneintrittsalters sind ausgeschlossen.
Künftig will die Regierung zudem zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Und die Bundeswehr darf zum Schutz von Soldaten bei Auslandseinsätzen bewaffnete Drohnen anschaffen.
15 Ministerien der Ampelkoalition
Grundsätzlich sieht die Verteilung der Ministerien folgendermaßen aus: Die SPD erhält neben dem Kanzleramt auch die Ministerien für Inneres, Verteidigung, Arbeit und Soziales sowie das Gesundheitsministerium, das Ressort für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Ministerium für Bauen und Wohnen - letzteres wurde neu geschaffen.
Die Grünen werden für Wirtschaft und Klima, Umwelt, die Außenpolitik, Familie und Landwirtschaft zuständig sein. Sie haben sich laut „Spiegel“ in den Verhandlungen auch das Recht zusichern lassen, den nächsten EU-Kommissar aus Deutschland vorzuschlagen.
Die FDP erhält das Finanz- und das Justizministerium sowie die Ressorts Verkehr und Bildung/Forschung.
Reaktionen aus Österreich
Die österreichischen Schwesterparteien gratulierten am Mittwoch zur Bildung der Ampel-Koalition in Deutschland. "Die rasche Einigung für eine fortschrittliche Koalition ist ein wichtiges Signal für einen politischen Aufbruch nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa", teilte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung mit. "Olaf Scholz steht für Aufbruch und Verlässlichkeit mit klarem sozialdemokratischem Profil."
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger gratulierte ihrerseits der FDP und deren Chef Christian Lindner: "Die Ampel-Koalition in Deutschland hat sich auf ein umfassendes, ambitioniertes Erneuerungs- und Modernisierungsprogramm, das auf Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit setzt, geeinigt. Solch eine mutige Politik brauchen Deutschland und die Europäische Union dringend", so Meinl-Reisinger in einer Mitteilung.
Die österreichischen Grünen freuten sich über die neuerliche Regierungsbeteiligung ihrer deutschen Kollegen und gratulierten Annalena Baerbock, Robert Habeck und dem gesamten grünen Team. "Mehr Klimaschutz für Deutschland heißt auch mehr Klimaschutz für Europa. Das ist ein gutes Signal für die Erneuerung Europas und den sozialen Zusammenhalt auf unserem Kontinent", betonte Sigi Maurer, Klubobfrau der Grünen, in einer OTS-Aussendung.
(APA/dpa/Reuters/AFP/red.)