Regierungskrise

Schwedens erste Premierministerin - für wenige Stunden

Premierministerin Andersson musste noch am Tag ihrer Wahl ihren Rücktritt erklären.
Premierministerin Andersson musste noch am Tag ihrer Wahl ihren Rücktritt erklären.APA/AFP/TT News Agency/PONTUS LU
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Nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung trat Schwedens erste Ministerpräsidentin Magdalena Andersson auch schon wieder zurück. Hintergrund ist ein Streit mit den Grünen.

Selbst für das frauenfreundliche Schweden war es eine Premiere: Erstmals in seiner Geschichte sollte das skandinavische Land von einer Ministerpräsidentin regiert werden. Am Mittwochnachmittag ebnete das Parlament zunächst mit einer knappen Mehrheit den Weg für die Sozialdemokratin Magdalena Andersson an die Regierungsspitze. Sie sollte ihrem Parteifreund Stefan Löfven nachfolgen. Doch nur wenige Stunden später folgte der nächste, noch größere Knalleffekt: Andersson kündigte in einer Pressekonferenz ihren Rücktritt an.

Und das kam so: Statt ihres Haushalts wurde jender der Opposition verabschiedet, bei dem die rechtsextremen Schwedendemokraten mitgewirkt haben. Die gerade frisch gewählte Andersson hatte zuvor angedeutet, auch mit dem Haushalt der Opposition regieren zu wollen. Die mit ihr koalierenden Grünen aber machten der ambitionierten Sozialdemokratin einen Strich durch die Rechnung und traten aus der Regierung aus. Damit musste Andersson zurücktreten.

„Ich habe dem Parlamentspräsidenten mitgeteilt, dass ich von meinem Amt als Ministerpräsidentin zurücktreten möchte“, sagte Andersson auf einer Pressekonferenz in Stockholm. Sie sei jedoch bereit, es noch einmal als Vorsitzende einer Einparteienregierung zu versuchen. „Es ist in der Verfassung verankert, dass eine Regierung zurücktreten muss, wenn eine Partei ausscheidet. Ich möchte keine Regierung führen, deren Legitimität infrage gestellt wird“, erklärte die 54-Jährige.
Parlamentspräsident Andreas Norlén billigte den Entlassungsantrag der Sozialdemokratin und ließ mitteilen, dass er nun Kontakt mit den Parteivorsitzenden aufnehmen werde, um über die Situation zu beraten. Über das weitere Vorgehen werde er am Donnerstagnachmittag informieren.

Hoffen auf Minderheitsregierung

Andersson hofft nun darauf, mit einer reinen sozialdemokratischen Minderheitsregierung zurückkehren zu können – und wies darauf hin, dass die Grünen sie nach wie vor als Ministerpräsidentin unterstützen wollten. Leichter wird es für sie politisch aber nicht. Schon ihre Wahl am Mittwoch im Stockholmer Reichstag war äußerst knapp ausgefallen: Sie war als Regierungschefin gewählt worden, weil sich keine Mehrheit der Parlamentarier gegen sie aussprach. 174 Abgeordnete hatten gegen sie gestimmt. 175 Ablehnungen im 349 Sitze großen Parlament wären notwendig gewesen, um ihre Wahl zur Regierungschefin zu blockieren.

Andersson folgte auf ihren Parteifreund Stefan Löfven, der Schweden in den vergangenen sieben Jahren mit einer rot-grünen Minderheitsregierung regiert hatte. Er hatte im Sommer seinen Rückzug angekündigt. Löfven war über ein Misstrauensvotum zu Mietpreisdeckelungen gestolpert, das die rechtspopulistischen Sozialdemokraten eingebracht hatten. Unterstützt wurde der Antrag sowohl von der Linkspartei – sie ist dagegen, den Mietmarkt zu liberalisieren – als auch von konservativen Parteien.
Löfven wollte nach seinem Rückzug partout Neuwahlen verhindern, offiziell wegen der Pandemie. Tatsächlich hofften die Sozialdemokraten, Zeit zu gewinnen, um sich auf Wahlen im Sommer 2022 vorzubereiten.

Hoffnungsträgerin der Sozialdemokraten

Die Sozialdemokratin gilt als schlagkräftig und selbstbewusst. Anderssons direkte Art führe in Schweden bisweilen durchaus zu Irritationen, sagen Beobachter. "Einige Leute haben sogar gesagt, dass sie Angst vor ihr haben", berichtet Anders Lindberg, Leiter des Politikressorts der Tageszeitung "Aftonbladet".

"Sie hat eine Art zu argumentieren, die ein wenig an Angela Merkel erinnert: Es ist nicht immer ganz klar, was sie meint, aber sie gewinnt am Ende, weil niemand sonst eine Antwort weiß und weil sie alle Details beherrscht", sagt Lindberg. Diesmal hat die ehemalige Spitzenschwimmerin sich jedoch verkalkuliert.

Dabei gilt Andersson eigentlich als Hoffnungsträgerin für die Sozialdemokraten. Diese nähern sich in Umfragen ihren niedrigsten Zustimmungswerten in der Geschichte. Löfvens Rücktritt sollte ihr und der Partei die Möglichkeit geben, sich neu aufzustellen und unter neuer Führung in den Wahlkampf zu gehen.

Wie es nun weitergeht, blieb am Mittwochabend noch unklar. Die zukünftige schwedische Regierung erwarten jedenfalls Herkules-Aufgaben. Sie muss nicht nur die weiterhin grassierende Pandemie managen, sondern auch die vielen sozialen und ökonomischen Probleme ihres Landes angehen – und das bei stets brüchigen Mehrheitsverhältnissen im Stockholmer Parlament.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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