Sexismus

"He Puppe, geiler Arsch": Gewalt, die Frauen täglich erleben

Instagram/catcallsof.vie
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Schon wieder wurde eine Frau in Österreich getötet. Auch verbale oder sexuelle Gewalt ist weit verbreitet, ob auf der Straße, im privaten Raum oder im Internet. Mehrere Initiativen machen darauf aufmerksam.

Sie werden belästigt, genötigt, missbraucht, geschlagen und im schlimmsten Fall, umgebracht: Frauen in Österreich leben gefährlich. Auch am Donnerstag ist eine Frau in Innsbruck getötet worden. Die 28-Jährige wurde am Vortag mit lebensgefährlichen Verletzungen, mutmaßlich durch ihren Lebensgefährten, ins Krankenhaus eingeliefert, am Nachmittag erlag sie den Verletzungen.

Es dürfte der wohl 29. Frauenmord in diesem Jahr sein. In Wien Döbling hatte zudem am Mittwoch ein 27-Jähriger seine 21-jährige Ex-Freundin verprügelt, gewürgt und verletzt. Die Frau, die in der fünften Woche schwanger ist, konnte sich losreißen und auf die Toilette flüchten, von wo sie die Polizei alarmierte.

Gewalt und Belästigung an Frauen ist vielfältig und weit verbreitet. So hat jede fünfte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt, jede dritte Frau sexuelle Belästigung erfahren. Die Dunkelziffer, so Experten, dürfte noch höher sein.

Das weiß auch Saskia von „Catcalls of Vienna“. Zwölf bis 15 Nachrichten würden sie derzeit täglich von Wienerinnen erhalten, die ihre Erlebnisse auf der Straße schildern. Die Instagram-Plattform (@catcallsof.vie), die Saskia gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen betreibt, thematisiert verbale und sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. „Hey Puppe, geiler Arsch“ – Sprüche, die (fast immer) Frauen oder als Frauen gelesene Personen in Wien nachgerufen werden, werden gesammelt und dann genau am Ort des Geschehens auf den Asphalt geschrieben. Ein- bis zweimal die Woche wird jeweils ein Wiener Bezirk mit den jüngsten dort passierten Belästigungen „angekreidet“.

Trauma, Angst, Scham

Die Kreide-Aktionen fallen auf, nicht selten ernten Aktivistinnen „blöde Kommentare“. „Wenn man die Menschen aufklärt, warum wir das machen, reagieren die meisten positiv.“ Auch den englischen Begriff „Catcalling“ – sexuell anzügliches Rufen oder Pfeifen auf offener Straße – müsse man oft erst erklären. „Dabei ist Catcalling ein Urgestein, das gibt es schon ewig.“ Natürlich kein Grund, es weiterhin zu tolerieren. „Es ist verbale Gewalt. Etwas, das mir angetan wird, was ich nicht will“, sagt Saskia. „Es muss nicht körperliche Gewalt sein, damit es traumatisiert, Angst oder Scham auslöst.“

Auch wenn sie keine körperlichen Verletzungen nach sich zieht, kann es Gewalt sein, so definiert das auch die EU in der „Istanbul-Konvention“. Gewalt an Frauen seien „alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt“ sowie deren Androhung, durch die körperliche, sexuelle, mentale oder wirtschaftliche Schäden entstehen.

Nicht nur auf der Straße, auch im Netz sind Frauen von Sexismus und Androhungen insbesondere sexueller Gewalt betroffen. Die Initiative @antiflirting2 etwa sammelt Nachrichten, die Frauen über Datingplattformen oder auf sozialen Netzwerken erhalten. „Hey Schlampe“ oder „Ich will es mit dir auf der Toilette treiben“ sind da noch die harmloseren Wortmeldungen, die anonym auf der Instagram-Seite veröffentlicht werden. Sie sind teilweise so grenzwertig, dass Instagram den Account bereits einmal sperrte, weil man gegen deren Richtlinien verstieß. Nun werden Bilder von Geschlechtsteilen oder Triggerwörter geschwärzt – mit vielen schwarzen Kästchen als Ergebnis.

Auch der österreichische Instagram-Account @oidaitssexism veröffentlicht anonymisiert die Erlebnisse von sexueller Belästigung oder Übergriffen. Oft sind die Männer, von denen sie handeln, nahestehende Personen: Der Ex-Freund, der eine betrunkene Situation ausnützte, der Kollege, der ungefragt zu grapschen beginnt, der Fremde, der sich plötzlich entblößt. Die geschilderten Erlebnisse sind sehr unterschiedlich, doch alle gehen unter die Haut.

Ab Donnerstag, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, bis 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, macht die weltweite Initiative „16 Tage gegen Gewalt“ auf das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam.

Orange Ministerien

Im Rahmen der begleitenden UN-Kampagne werden in Österreich Gebäude wie das Bundeskanzleramt oder das Außenministerium, Universitäten oder Kliniken 16 Tage lang symbolhaft orange beleuchtet. Der Verein Autonome Frauenhäuser hat einen Veranstaltungskalender zu den Aktionstagen veröffentlicht. Der Österreichische Integrationsfonds stellt ein umfangreiches Kurs-Programm kostenlos zur Verfügung.

Hilfe

Hilfe und Informationen für von Gewalt bedrohte Frauen gibt es unter anderem bei der Frauenhelpline unter: 0800/222 555, www.frauenhelpline.at, beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser unter www.aoef.at und der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: www.interventionsstelle-wien.at.

Betroffene von Gewalttaten und Verbrechen können sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring wenden unter der Tel.: 0800/112-112, www.opfernotruf.at; droht akute Gewalt, rufen Sie sofort den Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen

Beratung für Männer: http://www.mannsprichtsan.at - Männerinfo - die Krisenhotline 0800 400 777

(twi)

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