Pizzicato

Im Schlafbus

Wer kennt das nicht? Kaum setzt man sich im Autobus nieder, sorgt das Brummen des Motors, das monotone Grollen der Räder, das Du-tum-du-tum der Fugen im Asphalt für jene Kulisse, in der man nur eines tun möchte: schlafen, schlafen, und nochmals schlafen.

Ermattet lässt die Hand das Zeitungsfeuilleton sinken, jungfräulich bleibt der Buchrücken des eigens mitgebrachten ziegeldicken Klassikers der Jahrhundertwende, kein hungriger Zahn nagt am sorgsam in Wachspapier eingeschlagenen Wurstbrot, und dieser aufregende Podcast, von dem alle, wirklich alle schwärmen?

Er bleibt vorerst ungehört in den Mikroprozessortiefen des Telefons. Der Autobus, Morpheus' profanes Gefährt? Ein Reiseunternehmen in Hongkong hat sich diese Einsicht in das sedierende Wesen des Massentransits zu Herzen genommen und in eine kommerzielle Unternehmung gewandelt.

Gegen Geld kann man sich fünf Stunden lang in einem Bus durch die Stadt kutschieren lassen, um in den Schlaf gelullt zu werden. An Bord gilt strenges Schweigegebot, die Fahrgäste erhalten Ohrenschutz und blickdichte Augenbinden, um sie von erweckenden Reizen abzuschirmen. Litt Hongkong nicht unter der Knute der Kommunistischen Partei Chinas, wir buchten stehenden Fußes ein Jahresticket: um zu schlafen – bis der Lockdown vorüber ist. (GO)

Reaktionen an: oliver.grimm@diepresse.com

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