USA: Eine eigene Firma als Versuch zu fliegen

(c) AP (Lee Jin-man)
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Im Land der Unternehmer ist es nicht nur durch mangelnde Gewerbeordnungen und Vorschriften leicht, eine Firma zu gründen. Es ist vor allem auch die Mentalität der Menschen, die bereiter sind, ein Risiko einzugehen.

Es ging um die Altersvorsorge, den College Fund für die Kinder, um das Urlaubsgeld, den Notgroschen – es ging schlicht um alles Ersparte, das sich auf Jims Konto im Lauf der Jahre angesammelt hatte: Knapp 20.000 Dollar. Um dieses Geld ließ der Mittvierziger Anfang 2008 kleine Actionfiguren herstellen, die einen Politiker zeigten, der sich um die US-Präsidentschaft bemühte. Einer von 13 Kandidaten – und nicht der aussichtsreichste. Die Puppe, die Jim im Jänner 2008 in Auftrag gab, zeigte Barack Obama.

Etwas mehr als ein halbes Jahr später, im August 2008, machte Jim das große Geld. Er stand in der Fußgängerzone von Denver, in dem sich die Demokraten versammelten, um Obama zu ihrem Präsidentschaftskandidaten zu machen, und verkaufte seine „Barack-Action-Figure“ um 15 Dollar das Stück. „Wäre das danebengegangen“, meinte der Fabrikarbeiter lachend, „ich wäre pleite gewesen.“

Wäre Apple in Europa möglich?

Es ist ein bemerkenswerter Mentalitätsunterschied: In Österreich, wo man notfalls immer vom sozialen Netz aufgefangen wird, scheuen sich die Menschen, Risken einzugehen und eine eigene Firma zu gründen. In den USA aber, wo es kein Auffangnetz gibt, spielen viele, wie Jim, auf volles Risiko. Ein kluger deutscher Korrespondent beschrieb das einmal so: „In den USA springen dauernd Menschen von einem Dach, weil sie glauben, fliegen zu können. 99 Prozent krachen unten auf den Boden, aber ein Prozent kann wirklich fliegen – und das sind dann Menschen wie Bill Gates oder Steve Jobs.“

Wäre Microsoft oder Apple auch in Österreich möglich gewesen? Überhaupt in Europa? In den USA ist nicht nur das Individuum bereiter, all seine Energie und seine Finanzen in eine Idee zu stecken. Andere sind es auch. Die österreichische Firma Jajah hob mit ihrer Internet-Telefonie erst ab, als sie drei Millionen Dollar von der kalifornischen Risikokapitalfirma Sequia Capital erhielt: Sequia stellte auch Yahoo, Cisco und Google den ersten Scheck aus. Mit dem Geld konnte Jajah die Software verbessern, neue Märkte erschließen, Mitarbeiter anstellen – und das Unternehmen vergangenes Jahr um 200 Millionen Dollar an die spanische Telekom verkaufen. „In Österreich“, meinte Firmengründer Roman Scharf vor Jahren zur „Presse“, „würden wir noch immer irgendwo herumgrundeln.“

Der Mentalitätsunterschied hat vermutlich auch mit den Hürden in Form von Bürokratie und Gewerberecht zu tun. Die sind, um bei diesem Bild zu bleiben, in den USA mit einem kleinen Schritt überwunden: Für die meisten Gewerbe ist keinerlei Berechtigung nötig (je nach Bundesstaat gibt es kleinere Unterschiede). Wer etwa von sich glaubt, er könne gut kochen, macht ein Restaurant auf. Der Markt wird dann schon über die Kochkünste entscheiden – aber ganz sicher nicht ein Zettel mit einem Zeugnis.

Eine Garage als Firmensitz

Firmenchef ist man üblicherweise binnen weniger Tage: Man muss lediglich zum jeweiligen Bundesstaat gehen und dort sein Unternehmen anmelden, beispielsweise als Limited Liability Company, einer GesmbH vergleichbar. Das war's. Anders als in Österreich ist keinerlei Mindestkapital für die Gründung einer Gesellschaft erforderlich.

Steuerrechtlich ist es ebenfalls leichter (sofern man beim amerikanischen Steuerrecht überhaupt von leicht sprechen kann). LLC werden nicht direkt besteuert, sondern deren Eigentümer. Bei der größeren C-Corporation, erkennbar etwa am Zusatz „Inc.“, gibt es eine Doppelbesteuerung ähnlich jener in Österreich: einmal auf Ebene der Gesellschaft und dann bei etwaigen Dividenden.

Die Unternehmerfreundlichkeit zeigt sich auch bei der Beschäftigung von Mitarbeitern – weniger zur Freude selbiger. Sie werden nämlich üblicherweise „at will“ eingestellt: Das Arbeitsverhältnis kann jederzeit ohne Grund und Kündigungsfrist beendet werden. Strenge Auflagen gibt es erst ab einer bestimmten Firmengröße.

Und zumindest mythisch gehört etwas zu jeder Firmengründung in den Vereinigten Staaten, so wie einst bei Hewlett Packard, Apple, Microsoft oder auch bei Dell: eine Garage, in der man seine ersten Geschäfte macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2010)

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