Materialforschung

Sensortechnik kommt in Mode

Kunststofftechnik MUL
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Leitfähige Materialien können als Sensoren in „smarte“ Kleidungsstücke integriert werden. Steirische Wissenschaftler leisten dafür wichtige Entwicklungsarbeit.

In einer Welt, in der nicht nur das Phone smart ist, sondern das gesamte Home, und die ganze City sowieso, da ist smarte Kleidung auch nicht weit. So zumindest die Vision zahlreicher Forscher. Ziel: ein Pullover, der die Körpertemperatur misst, oder ein Leiberl, das Pulsschlag und Atemfrequenz an ein Aufzeichnungsgerät sendet.

Hoffnungen macht man sich davon nicht nur im professionellen Sportbereich, sondern vor allem in der Medizin: Sensoren in der Kleidung würden komplizierte Sensortechnik vereinfachen und Menschen, deren Körperfunktionen ständiger Überwachung bedürfen, ein größeres Maß an Mobilität ermöglichen. Noch steckt das Konzept allerdings in den Kinderschuhen.

Einer, dessen Forschung der Fusion von Technik und Mode einen Schub verleihen könnte, ist Thomas Grießer von der Montanuniversität Leoben. Der Kunststoffspezialist entwickelte mit seinem Team in Zusammenarbeit mit dem Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Verfahren zur Herstellung von leitfähigen Materialien, die unter anderem in Kleidung eingearbeitet werden und damit die Grundlage für Smartshirt und Co. bilden können.

Man nehme . . .

Das Verfahren, das im Rahmen eines von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekts erstellt wurde, besteht darin, dass Silbersalze und die Vorstufe eines elastischen Kunststoffs in einer auf Wasser basierenden Flüssigkeit gelöst werden. Das Gemisch lässt sich wie Tinte mittels Sieb- oder Tintenstrahldruck strukturiert auf Folien aufbringen und wird dann im Ofen bei rund 100 Grad getrocknet.

„Es entsteht ein Kunststoff, in dem die leitenden Silberpartikel eingebettet sind wie Rosinen in einem Kuchen“, erklärt Grießer. „Damit erfüllt dieses Material drei wichtige Voraussetzungen: Erstens werden bei der Herstellung weniger giftige Chemikalien eingesetzt als bei bereits bekannten Verfahren. Zweitens ist der Kunststoff sehr weit dehnbar, wobei er seine Leitfähigkeit zwar teilweise einbüßt, aber nicht ganz verliert. Und drittens behält er diese Eigenschaften auch bei dauerhafter Beanspruchung bei.“ Das Verfahren wurde bereits zum Patent angemeldet und kürzlich im renommierten Fachjournal „Chemistry of Materials" veröffentlicht. Dass die Leitfähigkeit mit zunehmender Dehnung abnimmt, sei kein Nachteil, sagt der Forscher: „Das macht den Einsatz in smarten Applikationen ja erst möglich. Man kann den elektrischen Widerstand messen und so Rückschlüsse auf die Dehnung ziehen.“

Ein Pflaster, das leitet

Ausprobiert haben das die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Experten der steirischen Forschungseinrichtung Joanneum Research sowie den Unternehmenspartnern Human Research und AT&S: Sie entwarfen ein Pflaster, auf dem das leitfähige Material aufgebracht ist. An die Brust von Sportlern geheftet, kann dieses Pflaster die Atemfrequenz während eines Trainings registrieren, weil sich bei jedem Atemzug der Brustkorb hebt und dabei das Pflaster dehnt.

In einem weiteren Projekt geht man nun daran, die Folien im Bergbau zur Messung geologischer Aktivitäten einzusetzen. „Möglich wäre aber auch, damit die Atemtätigkeit bei Kleinkindern zu überwachen und bei einem Aussetzen Alarm zu schlagen“, verweist Grießer auf potenzielle Anwendungen im medizinischen Bereich. Ebenso könnten die Körperfunktionen erwachsener Patienten mit geringerem Aufwand als derzeit aufgezeichnet werden – indem die leitfähigen Strukturen in T-Shirt oder Pullover eingebettet werden und sich somit das Tragen zusätzlicher Sensoren erübrigt. Bis dahin ist freilich noch einiges an Forschungsarbeit nötig. So einfach aus dem Ärmel schütteln lässt sich das nicht.

LEXIKON

Smarte Kleidungsstücke, auch als Textilien 4.0 bezeichnet, sind seit einigen Jahren Gegenstand internationaler Forschung. Erste Ergebnisse kommen vor allem im Profisport zum Einsatz, um die Trainings zu optimieren. Sie ersetzen durch ins Textilgewebe eingearbeitete Sensoren klassische Herzfrequenzmesser oder Pulsuhren. Die erfassten Daten können zur Auswertung z. B. an eine Smartwatch gesendet werden. Medizinische Anwendungen sollen der nächste Schritt sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2021)

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