Damals schrieb die Neue Freie Presse

Hinrichtungen in Versailles

Wien, 30. November 1871. Auf der Ebene von Satory, vielleicht an derselben Stelle, wo Louis Napoleon als Prinz-Präsident die Soldaten der Republik auf den Meuchelmord einexercirte, wurden in der Nacht vom 27. auf den 28. d. drei Gräber ausgeschaufelt, bestimmt, die am nächsten Morgen an ihrem Rande niederzuschießenden Commune-Männer aufzunehmen.

Am Morgen des vorgestrigen Tages marschirten auf jener berüchtigten Ebene von Satory mehrere Regimenter auf und bildeten ein großes Carré auf dem Richterplatze, um diese scheußlichen Hinrichtungen zu bewachen. Es handelte sich darum, die von den Kriegsgerichten zum Tode verurtheilten Commune-Mitglieder Rossel, Ferré und Bourgeois zu executiren. Mehr noch als die Verwilderung, welche in solchen Hinrichtungen liegt, ist es die Art und Weise, mit der gegen diese verirrten Männer verfahren wurde, welche jedes Gefühl empört.

Hat Rossel den Tod verdient? Nach dem Militär-Codex jedenfalls. Er war Officier und in voller Activität. Er befand sich im Lager zu Revers, nachdem er Metz in Folge der Capitulation verlassen. Er glaubte sich in Metz außerordentliche Verdienste erworben zu haben, und verlangte von der Regierung der nationalen Vertheidigung eine Beförderung, die ihm nicht in ausreichendem Maße zu Theil geworden zu sein scheint. Eine ehrgeizige Natur, vermochte er die Kränkung, welche in einer vermeintlichen Zurücksetzung lag, nicht zu verwinden.

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