Magdalena B. ist Mutter von vier Kindern, drei davon besuchen die Waldorfschule.
Anthroposophie

Rudolf Steiner, die Waldorfschule und das Impfen

Ob die Impfskepsis bei Anhängern der Anthroposophie größer ist, lässt sich nur schwer sagen. Von offizieller Seite befürwortet man die Corona-Impfung. Die Anhänger haben unterschiedliche Zugänge dazu. Gemein ist ihnen ein ganzheitlicher Blick auf den Menschen, die individuelle Entwicklung und Toleranz.

Es ist eine Gleichung, die in jüngster Zeit öfter angestellt wird. Anthroposophen und Menschen, die ihre Kinder in die Waldorfschule schicken, seien dem Impfen eher abgeneigt, um es vorsichtig auszudrücken. Gemischt wird das Ganze gern mit einem verklärten Naturbegriff, mit dem Verdacht, etwas Besonderes zu sein, manchmal darf noch eine Prise Verschwörungstheorie dazukommen. Und lang dauert es meist nicht, bis von Träumern, Esoterikern oder gar Spinnern die Rede ist. So lautet oft die gängige Schubladisierung. Diese Gleichung mag zwar auf manche Menschen zutreffen. Das heißt aber nicht, dass sie auf alle zutrifft, die mit Anthroposophie und der Waldorfschule etwas anfangen können.

Die Frage nach dem Impfen und danach, wie sich die Impfquote im Zuge der Pandemie erhöhen lässt, hat auch jene Gruppen in den Fokus gerückt, die dabei eben nicht mitmachen wollen. Manchmal sind in dieser Gruppe Anhänger der Anthroposophie zu finden. Aber was hat es überhaupt mit der Anthroposophie auf sich? Was genau versteht man darunter? Und ist es wirklich so, dass das Impfen bei Eltern von Waldorfschulkindern tabu ist?

Kleiner Verein. Wolfgang Tomaschitz bedankt sich zuerst einmal, dass bei ihm nachgefragt wird. Zu oft sei in letzter Zeit die Kritik an der Anthroposophie laut geworden, ohne sich mit ihr genau auseinanderzusetzen. Tomaschitz ist (ehrenamtlicher) Generalsekretär der Anthroposophischen Landesgesellschaft Österreichs, die rund 600 Mitglieder hat. Selbst für ihn ist es nicht einfach, die Anthroposophie in wenigen Worten für Laien zu erklären. Er müsse dafür ein bisschen ausholen.

„Historisch ist die Anthroposophie eine der großen Reformbewegungen Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Hauptfigur ist Rudolf Steiner, er ist Österreicher und wurde 1861 geboren. Steiner war zuerst Philosoph und Wissenschaftstheoretiker in den 1880er-, 90er-Jahren und ist dann ab 1900 als Lehrer aufgetreten im Kreis der damaligen Theosophical Society. Das war eine synkretistische Bewegung, die heute etwas seltsam ausschaut, im 19. Jahrhundert aber religionssoziologisch ziemlich interessant war“, erklärt er. „Dann nimmt diese Bewegung Fahrt auf, zuerst als neospirituelle Bewegung. Ab dem Ersten Weltkrieg sind jüngere Menschen dabei, auch Akademiker. Sie wird zu einer zivilgesellschaftlichen Bewegung, spielt im süddeutschen Raum eine wichtige Rolle, daraus geht auch die erste Waldorfschule 1919 hervor, und da schließen sich dann viele Interessengebiete an, Ärzte, Pädagogen, Heilpädagogen, Landwirte. Damit wird diese Bewegung eine breite zivilgesellschaftliche Geschichte.“

Im Nazi-Regime wurde die Bewegung verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt sie wieder Fahrt auf und erlebt in den 1970er-Jahren, auch durch die Ökologiebewegung, einen Boom, vor allem bei Pädagogik und Landwirtschaft – und besonders in protestantischen Ländern.

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