Michelangelo-Forschung

Empathie ohne Grenzen

Die „Delphische Sibylle“ aus der  Sixtinischen Kapelle im Vatikan in Rom.
Die „Delphische Sibylle“ aus der Sixtinischen Kapelle im Vatikan in Rom.Horst Bredekamp
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Der deutsche Kunsthistoriker par excellence, Horst Bredekamp, hat 50 Jahre Michelangelo-Forschung in ein Buch gegossen.

Die Geschichte ist gut, aber erfunden, wie so vieles bei Giorgio Vasari, dem Urvater der Künstler-Vita: Neugierig habe sich der 24-jährige Michelangelo unter die Besucher des Petersdoms, des alten noch, gemischt: Diese bestaunten dort eine neue Skulpturengruppe, eine überirdisch schöne Pietà. Diese könne nur der Mailänder Bildhauer Cristoforo Solari gemacht haben, war man überzeugt. Kein Mensch kennt diesen heute mehr. Alle kennen heute Michelangelo. Alle seine Pietà. Sie steht mittlerweile im (neuen) Petersdom hinter Panzerglas.

Damals aber soll der junge Bildhauer in der Nacht noch in die Kapelle geschlichen sein, will Vasari wissen, um in den Gurt, den Maria quer über die Brust trägt, zu meißeln: Michelangelo Buonarotti aus Florenz machte dies. „Faciebat“, schrieb er. Nicht „Fecit“, hat gemacht. Ein wesentlicher Unterschied, wie Horst Bredekamp in dem üppigsten Band, der über Michelangelo je veröffentlicht wurde, erklärt. Denn die Wahl des Imperfekts, der unabgeschlossenen Vergangenheit, betone das Unvollendete. Das sei einerseits eine Bescheidenheitsformel großer Künstler, mit der Michelangelo sich ganz unbescheiden in eine genealogische Linie mit antiken Vorbildern wie Apelles stellte. Andererseits betone es die Unmöglichkeit der Vollendung an sich, also die ewige Suche nach Form.

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