Literatur

Wenn die Worte fehlen

Wieser Verlag
  • Drucken

In ihrem neuen Roman „Stille Jahre“ erzählt die tschechische Autorin Alena Mornštajnová von der erdrückenden Last des Schweigens.

Mutig und entschlossen setzt die tschechische Autorin Alena Mornštajnová die Erkundung der Vergangenheit ihrer Heimat fort. Nach dem Erfolgsroman „Hana“, in dessen Mittelpunkt der Nationalsozialismus steht, geht es im Nachfolgewerk „Stille Jahre“ um die Epoche des Kommunismus. Einmal mehr nimmt sie dabei die Geschichte einer Familie als Brennglas für eine ganze Epoche.

Als Svatopluk in die Fußstapfen seines Vaters tritt und ein treuer Gefolgsmann der Kommunisten wird, stellt sich seine Liebe zur Musik rasch als Störfaktor heraus. Für Gefühle sei beim Aufbau der klassenlosen Gesellschaft kein Platz. Doch als ihm Eva ein zweites Mal begegnet, ist es um beide geschehen. Ohne große Worte schildert Mornštajnová, wie ein Panzer nach außen die Menschen nicht vor inneren Verwundungen schützt.

Keiner entkommt diesem Regime, das Schicksal kann sich rasch wenden. Der Täter von gestern ist das Opfer von morgen: „Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied, und für die Genossen war er diese Schwachstelle geworden. Am Ende werden sie irgendetwas gegen ihn ausgraben, ihn aus der Partei werfen und auch aus der Stelle. Das ist nur eine Frage der Zeit.“

In einer Parallelhandlung lernt der Leser auch diesen Svatopluk kennen, dem jede Gewissheit abhandengekommen ist und dessen Tochter es buchstäblich die Sprache verschlagen hat. Dass Mornštajnová all das einfühlsam ohne Anklage und Urteil schildert, beweist ihre Meisterschaft. (gar)

Alena Mornštajnová: „Stille Jahre“, übersetzt von Raija Hauck, Wieser Verlag, 306 Seiten, 21 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.