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Zauber und Schauer des Anfangs

Eine Ampel vor dem Reichstagsgebäude
Eine Ampel vor dem Reichstagsgebäude(c) imago images/Future Image (Dwi Anoraganingrum via www.imago-images.de)
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Der Anfang mutete martialisch an, als eine Gang von neun Akteuren an einem grauen Novembertag am Spreeufer aufmarschierte. Ein Western im abgewrackten Berliner Nordwesten? Der Plot, eine erweiterte Adaption der „Glorreichen Sieben“, stammt aus dem Willy-Brandt-Haus – mit Olaf Scholz als Yul Brynner.

Drinnen war die Halle mit roten, grünen und gelben Spotlights erleuchtet, als würde die Party der Ampelkoalition gleich losgehen. Erst aber mussten die neuen Koalitionspartner die Reden über sich ergehen lassen. Noch ist der Umgang der Protagonisten so pfleglich wie in einer Gruppentherapie. Allerdings schlich sich ein genervter Unterton ein. „Saskia, jetzt ist erst mal Annalena dran“: So unterbrach der Ober-Grüne Robert Habeck die SPD-Chefin Saskia Esken, um Parteifreundin Annalena Baerbock das Wort zu erteilen – ehe intern der große Hader zwischen Realos und Fundis ausbrach.

Als endlich Esken an der Reihe war, gab sie eine poetische Platitüde von sich. Als Bürgerin von Calw, Hermann Hesses Geburtsstadt im Schwarzwald, fühlte sie sich bemüßigt, ein geflügeltes wie abgedroschenes Hesse-Zitat in den Mund zu nehmen: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Habeck, Schriftsteller im Nebenjob und Philosoph aus Berufung, muss ein kalter Schauer über den Rücken gerieselt sein. Mit der Saskia kann das nix werden.

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2021)

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