Artenvielfalt

Biodiversität-Strategie: Feilen und Glätten ist angesagt

BIO AUSTRIA H�fe nehmen besondere Verantwortung f�r Biodiversit�t wahr
BIO AUSTRIA H�fe nehmen besondere Verantwortung f�r Biodiversit�t wahr(c) BIO AUSTRIA (Edler)
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Im kommenden Frühjahr soll die Strategie fertig sein, mit der die Biodiversität in Österreich gewahrt und verbessert werden soll. Am Entwurf wird um jeden Beistrich gekämpft. Und vor allem um eckige Klammern.

Experten beschreiben den Artenschwund in Österreich als schlichtweg „dramatisch“. Gleichgültig, wohin man in Flora und Fauna blickt: Überall sind Arten unter Druck. Vor diesem Hintergrund ist die „Biodiversitäts-Strategie 2030“ seit Monaten in Verhandlung. Der „Presse“ liegen zwei Versionen vor (von Anfang Juli und Ende September), anhand derer der Ablauf der Gespräche gut ersichtlich wird.

Kurzer Blick zurück: Gestartet wurde der Prozess 2020, als ein Konsultations-Prozess begann, an dem sich die breite Öffentlichkeit beteiligen konnte – und beteiligt hat. Mehr als 2200 Stellungnahmen wurden abgegeben, die dann in einen ersten Entwurf der Strategie eingearbeitet wurden. Dieses Strategiepapier wird nun seit Monaten verhandelt. Am Tisch sitzen 48 stimmberechtigte Mitglieder der „Biodiversitäts-Kommission“, die – bewusst – sehr breit aufgestellt ist. Das lässt zwar durchaus kontroversielle Verhandlunsgrunden wahrscheinlich erscheinen, aber andererseits etwas mehr Konsens bei der späteren Umsetzung erwarten.

Der erste Teil des Kalküls – die kontroversiellen Verhandlungen – scheint aufzugehen; auch, wenn die Beteuerung des „konstruktiven Klimas“ von allen Seiten, mit denen man zu dem Thema spricht, unermüdlich herausgestrichen wird.

„Eng vernetzt“ oder doch nur „verzahnt"?

Der Entwurf der Strategie umfasst etwa 80 Seiten, die ergänzt werden von Detail-Erläuterung in ungefähr gleichem Umfang. Die Diskussionsunterlage wurde im Frühsommer erstellt und dann Ende September überarbeitet. Das Papier ist thematisch gegliedert, wobei die Themen zunächst allgemein beschrieben und die Situation in Österreich dargestellt wird. Im Anschluss werden die Biodiversitäts-Ziele formuliert und schließlich die Einzel-Maßnahmen aufgelistet, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Diese Maßnahmen sind unterteilt in solche, die unmittelbar und jene, die mittelfristig umzusetzen sind.

Im Vergleich der beiden Versionen zeigen sich bereits erste Änderungen. Zu lesen ist da etwa, dass die Biodiversitäts-Strategie 2030 inhaltlich mit den relevanten Strategien und Instrumenten „verzahnt“ sei, wo im Juli-Entwurf noch „eng vernetzt“ zu lesen gewesen ist. Und auch die Zielsetzung wird abgeschwächt: Im Juli hieß es noch, dass die Strategie darauf ausgerichtet sei, Synergien und Ökosystemleistungen „zu maximieren“, in der Überarbeitung von Ende September heißt es „zu nutzen und auszubauen“.

Auf derartige Änderungen stößt man des öfteren. Da wird schon einmal die „verstärkte Verwendung“ zu einer bloßen „Verwendung“, oder die „Orientierung aller Förderprogramme an naturnaher Waldbewirtschaftung wird zu einer „Orientierung aller einschlägigen Förderprogramme an den Prinzipien der naturnahen Waldbewirtschaftung“ (kursiv durch Red.).

Reduktion oder Förderung?

Beim Schutz der Moore lautet eine Maßnahme zunächst „Keine Verwendung von Torf auf öffentlichen und privaten Grünflächen“. In der überarbeiteten Version dann: „Keine Verwendung von torfhaltigen Produkten auf öffentlichen Grünflächen durch die Gemeinden auch zur Vorbildwirkung für private Gründeigentümer:innen“.

Aufschlussreich sind auch die Passagen, in denen Land- und Forstwirtschaft abgehandelt werden. In diesen Teilen gibt es vergleichsweise viele redaktionelle Überarbeitungen. Da mutiert von der einen Text-Version die „Reduktion der Düngung und Mähintensität im Grünland“ in die andere zur „Förderung der betrieblichen Diversifizierung der Mäh- und Düngeintensität“. Bei Agrochemikalien – einem der zentralen Punkte in der Biodiversitätspolitik – zielen die Ambitionen der Strategie auf eine Verringerung des Pestizid-Einsatzes ab. Im Textvorschlag von Ende September sind dem Maßnahmenkatalog zwei Punkte vorgeschaltet worden: Einerseits ist die Verankerung zu einer Studie hineinreklamiert worden, die die Folgen abschätzt, wenn Pflanzenschutzmittel und Düngung reduziert werden. Andererseits solle ein „Pflanzenschutzmittel-Reduktionsplan“ ausgearbeitet werden.

Ebenfalls auf Zeit scheint eine Text-Änderung zu spielen, die die Forststraßen betreffen. Die Forstweg-Dichte ist in Österreich im internationalen Vergleich hoch. Es gibt zwar Arbeiten aus den 1990er-Jahren, die belegen, dass die Zunahme der Wegschnittpunkte einen direkten Einfluss auf Naturnähe und Biodiversität hat, „dennoch ist es dringend erforderlich, aktuelle Datengrundlagen zu schaffen.“

Gab es im Erstentwurf noch die Maßnahme „Verstärkte Förderung der Plenterwaldbewirtschaftung und von bodenschonenden Ernte- und Bringungsmethoden“, so bleibt die Suche nach dieser Forderung im September-Text ohne Erfolg. Gestrichen. Diese Art der Bewirtschaftung bedeutet Entnahme von Einzelbäumen (keine Kahlschläge, die in Österreich stark begrenzt sind) und Entnahme der Bäume nicht mit einem Harvester, sondern mit einer Seilwinde. Hitziger Diskussionspunkt war offensichtlich auch die Frage, wie viel Totholz im Wald belassen werden soll. Gelten soll die Regelungfür Totholz ab einem Baum-Durchmesser von 20 Zentimetern, den eine Fichte normalerweise nach etwa 19 Jahren erreichen kann (eine Buche nach 37).

Die in der Strategie festgehaltenen Ziele sind zu einem Großteil konkret. Aber: Sie stehen in eckigen Klammern – das bedeutet, dass über sie noch kein Konsens hergestellt werden konnte. Diesbezüglich zeichnen sich die ersten Bruchzonen ab: So gab es im Juli-Entwurf die Forderung, dass 2000 Quadratkilometer Wald (etwas weniger als fünf Prozent der gesamten Waldfläche Österreichs) unter Schutz stehen sollen, im September-Entwurf ist das Ausmaß auf 1500 km² geschrumpft. Und auch den Hochgebirgsregionen ist Ähnliches widerfahren: Wurden anfangs 4000 km² angepeilt, so sind es nunmehr nur noch 2500 km².

In Ausschüssen wird weiter verhandelt

Die Strategie schlägt auch den Stopp von Neuwidmungen als Bauland vor – ursprünglich für den Fall, dass die Baulandreserve mehr als 20 Prozent ausmacht. Im September-Papier liegt dieser Schwellenwert bei 30 Prozent.

Wie geht’s weiter? Es gibt mittlerweile zwei Fachausschüsse, die sich öfter treffen und die beiden Bereiche beackern, wo der Gesprächsbedarf am höchsten ist: Schutzgebiete und Wald sind Thema des einen Ausschusses, Landwirtschaft und nachhaltige Landnutzung der andere. Ein erstes meeting hat es gegeben, bei dem an den konkreten Formulierungen weiter gefeilt und geglättet wurde. Ein zweites Treffen ist geplant. Eine komplette neue Version gibt es noch nicht. Für Februar soll sich die Biodiversitäts-Kommission wieder im Plenum treffen, dann wird der Text endredigiert. Noch im Frühjahr will Umweltministerin Leonore Gewessler damit in den Ministerrat.

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