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Hitler-Tagebücher? Wir lachen leiser

RTL
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1983 ging der „Stern“ einem Fälscher auf dem Leim. Kann man den Skandal besser verfilmen als in der Satire „Schtonk“? RTL+ versucht es mit dem Sechsteiler „Faking Hitler“. Mutig.

Erinnern wir uns? Na klar. Ein so dreistes Schelmenstück, einen so handfesten Skandal vergisst man nicht: Das Hamburger Nachrichtenmagazin „Stern“ zahlte 1983 einem zwielichtigen Gesellen über neun Millionen Mark für angebliche Hitler-Tagebücher, verkaufte seine Story als Weltsensation, behauptete, die Geschichte müsse umgeschrieben werden, und schrieb damit Mediengeschichte der peinlichsten Art: Das Bundeskriminalamt entlarvte alles als plumpe Fälschung – das Papier gab es erst seit der Nachkriegszeit.

Es klingt so grotesk, so surreal. Ein idealer Stoff für eine saftige Filmsatire: „Schtonk!“ von Helmut Dietl, 1992 im Kino und für den deutschen Auslandsoscar nominiert, hält die Erinnerung auch bei den Jüngeren wach. Die Fiktion erweist sich als haltbarer als die Realität: Wenn wir an den schlampigen Meisterfälscher Konrad Kujau denken, sehen wir das schlitzohrige Lächeln von Uwe Ochsenknecht vor uns. Und statt Gerd Heidemann, dem ruhmsüchtigen Reporter mit Rechtsdrall, den irren Blick von Götz George. Ein mutiges Unterfangen also, den Stoff noch einmal zu verfilmen, als Miniserie mit sechs Teilen, abheute auf RTL+.

Aber warum nicht? Natürlich musste die Satire damals verkürzen, zuspitzen. Wenn man sich sechs Stunden Zeit lässt, könnte man die Geschichte differenzierter nacherzählen. Ihr auf den Grund gehen, der auch ein Abgrund ist: Warum bekamen linksliberale Journalisten feuchte Augen, wenn man ihnen Hitler als Mensch wie du und ich präsentierte? Warum brannten alle darauf, zu hören, der Führer habe die Juden nur aussiedeln wollen?

Aber ernste Untertöne haben es schwer, bei zwei so unwiderstehlich lächerlichen Figuren, die dem absurden Theater entstiegen scheinen. Und so zeigen schon die ersten Minuten von „Faking Hitler“, woran diese Serie krankt: Produzent und Hauptautor Tommy Wosch kann sich nicht entscheiden, ob er eine Neuauflage der Satire oder doch lieber ein Lehrstück zur Vergangenheitsbewältigung liefern soll.

Zur Satire passt, dass auch sein Plot zuspitzt. Ein Beispiel: Der „Stern“ beauftragte nicht nur, wie suggeriert, ein Gutachten bei einem Grafologen, dem man zum Vergleich einen ebenfalls gefälschten Brief servierte. Auch ein Landeskriminalamt und zwei bedeutende Historiker, die über jeden Revisionismusverdacht erhaben sind, bestätigten anfangs die Echtheit. Kujau war eben nicht nur ein fideler Schelm, sondern tatsächlich ein verdammt guter Fälscher.

Mit lustlos erhobenem Zeigefinger

Für das Lehrstück muss eine rein fiktive Nebenhandlung sorgen: Ein junge „Stern“-Reporterin (Sinje Irslinger) kommt bei ihren Recherchen drauf, dass ihr Vater als 17-Jähriger bei der Waffen-SS und an einem Massaker an Zivilisten beteiligt war. Der liebevolle Papa und renommierte Jus-Professor ringt sich dazu durch, seine Schuld zu bekennen und ins Gefängnis zu gehen. Das ist so papieren, lustlos und konstruiert, dass selbst Ulrich Tukur als Vater blass bleibt.

Was die Serie rettet, sind allein die beiden Hauptdarsteller. Moritz Bleibtreu spielt den Fälscher genüsslich als spießigen Lebemann, der in breitem Schwäbisch schwätzt. Er wirkt zugleich listig und unbeholfen, verschlagen und naiv – eine Glanzleistung. Und Lars Eidinger als Heidemann? Er kommt dem Original nicht nur optisch nahe, sondern liefert bei aller Komik auch das subtile Porträt eines zerrissenen Menschen, dem vor sich selber graust. Das Drehbuch wirft den beiden nur wenige Perlen hin, das meiste bleibt auch in ihren Dialogen platt. Dies zu überspielen, ist der Komödianten wahre Kunst – und belohnt dann doch fürs Einschalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2021)

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