Hofgesetz

Japans Prinzessin und die Thronfolgeproblematik

Japans Prinzessin Aiko im Mai dieses Jahres (Archivbild).
Japans Prinzessin Aiko im Mai dieses Jahres (Archivbild).(c) imago images/Kyodo News
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Die älteste Erbmonarchie droht auszusterben. Für viele ein Grund nun endlich auch weibliche Familienmitglieder in die Thronfolge aufzunehmen.

Für viele gilt sie als Hoffnungsträgerin Japans: Prinzessin Aiko. Das einzige Kind von Kaiser Naruhito und seiner Frau Masako wird am Mittwoch, dem 1. Dezember, 20 Jahre alt - und damit nach japanischem Recht volljährig. Normalerweise dürfen Japanerinnen und Japaner ab diesem Alter Alkohol trinken, rauchen und wählen. Nicht aber Prinzessin Aiko - der es nicht einmal zusteht ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern. Und noch eines ist ihr verwehrt: der Thron. Auf den dürfen nach dem geltenden Hofgesetz nur Männer der männlichen Kaiserlinie. Doch der ältesten Erbmonarchie der Welt geht langsam der männliche Nachwuchs aus.

Masako, die Frau des Kaisers, hatte seit ihrer Hochzeit mit Naruhito im Juni 1993 unter einem gewaltigen Erwartungsdruck gestanden, der Nation einen Thronfolger zu gebären. Als am 1. Dezember 2001 Aiko zur Welt kam, löste dies nicht nur Jubel, sondern auch die Debatte über eine Änderung des Hofgesetzes aus, um die Zukunft des Landes zu sichern. 2005 schien man fast so weit.

In letzter Sekunde

Als ein Entwurf zur Gesetzesänderung fast im Parlament eingebracht werden konnte, verkündete plötzlich Kiko, die Frau von Kronprinz Akishino, Naruhitos Bruder, dass sie noch ein weiteres Kind erwarte. „Natürlich war es ein Bub. Und schon war das Thema Kaiserin wieder vom Tisch“, sagt Ernst Lokowandt, ein intimer Kenner des japanischen Kaiserhauses. Doch als kürzlich Kikos älteste Tochter Mako ihren bürgerlichen Studienfreund Kei Komuro heiratete und damit aus dem Hof ausschied, gewann die Debatte über die Thronfolge wieder an Fahrt. Während Mako und ihr Mann nach jahrelanger Kontroverse wegen eines Streits um Geld in Komuros Familie Japan den Rücken kehrten und in die USA auswanderten, richten sich nun die Augen der Öffentlichkeit zunehmend auf ihre Cousine, Prinzessin Aiko.

Hinter dem dichten Chrysanthemenvorhang des Kaiserhauses lebt sie in den Augen vieler ein Leben, wie es sich für eine Prinzessin gebührt. Wie ihr Vater, Kaiser Naruhito, besuchte Aiko die frühere Adeligenschule Gakushuin. Seit vergangenem Jahr studiert sie an der Gakushuin-Universität japanische Sprache und Literatur. Wie ihre Mutter liebt sie Tiere, hat einen Hund namens Yuri und züchtete seit ihrer Grundschulzeit Seidenwürmer - eine Aufgabe, die grundsätzlich Kaiserinnen haben.

Stimmungsbild der Bevölkerung

In einer Umfrage befürworteten jüngst mehr als 80 Prozent der befragten japanischen Bürgerinnen und Bürger eine Frau auf dem Thron. Selbst in der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) gibt es laut lokalen Medien zunehmend Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass Aiko eines Tages ihrem Vater Naruhito als Kaiserin auf den Thron folgen sollte. An sich würde Japan damit einen Schritt Richtung eigene Vergangenheit machen, denn zwischen dem 6. und dem 18. Jahrhundert hatte es gleich acht weibliche Monarchinnen in Japan gegeben. Die letzte war Go-Sakuramachi, die von 1762 bis 1771 regierte. Der Legende nach hat die Familie ihren Ursprung in der - weiblichen - Sonnengöttin Amaterasu-omikami.

In Japan kommt der Sicherung der kaiserlichen Thronfolge große Symbolkraft zu. Der Tenno („Himmlischer Herrscher“) gilt seit der Nachkriegszeit zwar nicht mehr als göttlich, aber nach der Verfassung ist er nach wie vor das „Symbol des Staates und der Einheit des Volkes“. Regierungsbefugnisse sind Japans Monarchen alle genommen.

Die Zeit drängt

Bis Ende des Jahres soll nun ein Gremium von Experten einen Vorschlag zur Lösung der Thronfolgeproblematik ausarbeiten. Denn die Zeit drängt: Derzeit stehen theoretisch nur noch drei Kandidaten als Nachfolger für Aikos Vater auf dem Thron bereit: Sein 55-jähriger Bruder, Kronprinz Akishino, dessen 15 Jahre alter Sohn Prinz Hisahito und Naruhitos Onkel Masahito - der 85 Jahre alt ist. Sollte also Hisahito - der erste Prinz in Japan seit 41 Jahren und das einzige noch verbliebene männliche Mitglied der jüngsten Generation der Kaiserfamilie - eines Tages nicht für männlichen Nachwuchs sorgen, „hört das Kaiserhaus auf zu existieren“, so Tenno-Experte Lokowandt.

Würde das Haushofgesetz jedoch so geändert, dass grundsätzlich das erstgeborene Kind - unabhängig vom Geschlecht - auf den Thron kommt, wäre das Nachwuchsproblem gelöst. Denn dann würde auch einer erstgeborenen Tochter die Thronfolge vor einem jüngeren Bruder oder einem Cousin ermöglicht. Mit anderen Worten: Prinzessin Aiko würde eines Tages Kaiserin. Doch Japans Nationalisten ist die Vorstellung von Frauen auf dem Thron ein Graus. Sie plädieren hingegen für eine Wiederaufnahme einiger Kaiserhausfamilien, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Status verloren und zu Privatpersonen wurden.

Wenig Zuspruch

Experten halten das jedoch für eine Schnapsidee. Schließlich leben diese Familien längst ein normales Leben als Bürgerliche und würden wohl kaum ihre Freiheiten gegen die Zwänge am Hofe tauschen wollen. Und so wartet Japan weiter auf eine Lösung. Derweil wird Prinzessin Aiko ihren Geburtstag nach alter Tradition begehen. Dazu gehören Pilgergänge zu Shinto-Heiligtümern am Hofe, wo ihre kaiserlichen Vorfahren und Japans Götter verehrt werden. Allerdings erst vier Tage nach ihrem tatsächlichen Geburtstag, weil sie am Tag selbst zur Universität müsse. Fortan wird Aiko dann als volljähriges Hofmitglied offizielle Aufgaben übernehmen. Und vielleicht eines Tages auch den Thron.

(apa/evdin)

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