Nur Künstlerkollektive sind im Rennen um den Turner-Preis

“Salmon: Traces of Escapees”: Eine Installation von Cooking Sections.
“Salmon: Traces of Escapees”: Eine Installation von Cooking Sections. (c) APA/AFP/PAUL ELLIS (PAUL ELLIS)
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Heute ist Kunst Teil des gesellschaftlichen Wandels, so die Botschaft. Erstmals hat die Jury nur Gruppen auf die Shortlist gesetzt.

Morgen, Mittwoch, wird in Coventry der renommierte Turner-Preis vergeben. Diese 1984 ins Leben gerufene, nach dem britischen Maler Joseph Mallord William Turner (1775-1851) benannte und mit 25.000 Pfund (29.600 Euro) dotierte Auszeichnung weist heuer eine Besonderheit auf: Erstmals befinden sich nur Künstlerkollektive auf der von einer Jury ausgewählten Shortlist. Auch von ihren programmatischen Ausrichtungen her ist die Auswahl heuer so politisch und divers wie nie.

Das Kunstgenie im Elfenbeinturm war gestern, heute ist Kunst Teil des gesellschaftlichen Wandels, lautet die Botschaft. Zur Wahl stehen das Belfaster Array Collective, das Londoner Künstler-Kollektiv Black Obsidian Sound System, das Londoner Duo Cooking Sections, das in Cardiff von Künstlern, Community Workern, Autoren und anderen ins Leben gerufene Projekt Gentle/Radical sowie das Kollektiv Project Art Works aus Hastings. Ihre vielschichtige Praxis umfasst Filme, Installationen und interdisziplinäre Praktiken. Zusammenarbeit mit den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen ist originärer Bestandteil dieser Arbeit.

Array steht für kollaborative Aktionen von Künstlern und Aktivisten und "hinterfragt traditionelle Identitäten, die mit Nordirland verbunden sind, auf spielerische Weise, die Performance, Protest, antike Mythologie, Fotografie, Installation und Video miteinander verbindet", wie es in der Beschreibung der "Herbert Art Gallery & Museum" in Coventry heißt, wo Arbeiten der Nominierten seit Ende September zu sehen sind. Für ihren Showcase haben sie die immersive Installation "Druithaib's Ball" geschaffen, in der Mythologie auf schwarzen Humor trifft. Es ist "ein Ort, um sich außerhalb der konfessionellen Spaltungen zu versammeln, die das kollektive Gedächtnis des Nordens Irlands in den letzten hundert Jahren dominiert haben".

Das in London ansässige Black Obsidian Sound System (B.O.S.S.) wurde 2018 gegründet, "um eine Gemeinschaft von queeren, trans und nicht-binären schwarzen Menschen und People of Colour zusammenzubringen, die sich mit Kunst, Sound und radikalem Aktivismus beschäftigen". Auch sie schaffen eine immersive Umgebung, die Film, Licht, Musik, aber auch Bildhauerei oder Radiosendungen kombiniert, um marginalisierte Gruppen Raum und Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Die 2013 in London von Daniel Fernández Pascual und Alon Schwabe gegründeten Cooking Sections beschäftigen sich mit den Auswirkungen der intensiven Lebensmittelproduktion auf die Umwelt. "Mit ortsspezifischen Installationen, Performance und Film erforschen sie die sich überschneidenden Grenzen zwischen Kunst, Architektur, Ökologie und Geopolitik", heißt es. In ihrer Audio- und Filminstallation für Coventry zeigen sie die Umweltauswirkungen von Lachsfarmen in Schottland.

Gentle/Radical wurde 2017 als kollaboratives Kulturprojekt mit Sitz in Cardiffs Stadtteil Riverside gegründet. "Es besteht aus Gemeindeaktivisten, Konfliktlösungstrainern, Glaubenspredigern, Gleichstellungspraktikern, Jugendarbeitern, Landarbeitern, Schriftstellern und Künstlern", heißt es in ihrer Präsentation. Ihre Arbeiten sind vor allem Dokumente ihres Netzwerkens mit verschiedensten Communitys, bei denen Vorstellungen eines gerechteren Miteinanders entwickelt und verwirklicht werden. Dabei wird teilweise auch auf alte, fast verloren gegangene walisische Kultur zurückgegriffen.

Project Art Works schließlich arbeitet an der Schnittstelle von Kunst und Fürsorge und organisiert Veranstaltungen und Projekte, die sich für mehr Sichtbarkeit und Verständnis der Neurodiversität in der Kultur einsetzen. In Coventry haben sie nicht nur vor Ort mit entsprechenden Künstlern und Gruppen gearbeitet, sondern auch ihr Archiv von über 4.000 Werken gezeigt: "Das Archiv verkörpert eine sichtbare Spur von Menschen, die sonst in der Welt verborgen sind."

Zu den bisherigen Turner-Preisträgern zählen Anish Kapoor, Damien Hirst, Rachel Whiteread, Antony Gormley oder Susan Philipsz. Wen die Jury unter Vorsitz von Tate Britain-Direktor Alex Farquharson zum Turner-Preisträger 2021 auserkoren hat, gibt Pauline Black, Sängerin der in Coventry ansässigen populären Band The Selecter, am Mittwoch um 19.15 Uhr in der Kathedrale von Coventry bekannt. BBC überträgt die Zeremonie live.

(APA)

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