Sechs Freisprüche haben bereits Rechtskraft erhalten, acht Schuldsprüche warten aber noch darauf, ausformuliert zu werden. Für den Anwalt von Ex-Minister Grasser ist die lange Wartezeit „skandalös“.
Vor fast einem Jahr, am 4. Dezember 2020, verkündete Richterin Marion Hohenecker das erstinstanzliche, nicht-rechtskräftige Urteil im Korruptionsprozess rund um die Affären Buwog und Terminal Tower. Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde damals zu acht Jahren Haft verurteilt, sein Trauzeuge, nach eigenen Angaben „strategischer Berater“, Walter Meischberger zu sieben. Der Lobbyist Peter Hochegger, der zuvor ein Teilgeständnis abgelegt hatte, fasste sechs Jahren Gefängnis aus. Hinzu kamen fünf weitere Schuld- und sechs Freisprüche. Schriftlich erhalten hat sein Urteil bis dato keiner der Angeklagten, die schriftliche Ausfertigung läuft nach wie vor.
Ein Rückblick: Der Prozess begann am 12. Dezember 2017 im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Neben den Hauptangeklagten saßen auch zahlreiche weitere Beschuldigte auf den Anklagebänken. Standen anfangs nur die umstrittene Privatisierung der Bundeswohnungen sowie die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer „Terminal Tower“ im Akt, wuchs das Verfahren im Laufe der Monate um zwei weitere Affären, nämlich die Causa „Telekom/Valora“ sowie die Sache „Meischberger-Villa“, an.
Grasser, von 2000 bis 2007 Finanzminister in zwei Regierungen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), stand erstmals wegen Korruptionsverdachts vor Gericht. Ihm wurde zur Last gelegt, sich mithilfe seiner Vertrauten - Meischberger, Hochegger und dem ebenfalls mitangeklagten Immobilienmakler Ernst Karl Plech - unrechtmäßig bereichert haben. Konkret gingen die Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart davon aus, dass es sich bei der Provision in Höhe von 9,6 Millionen Euro, die im Zuge des Verkaufs der Bundeswohnungen (Buwog) an Hochegger und Meischberger geflossen ist, in Wahrheit um Schmiergeld gehandelt hat - die Privatisierung erfolgte in Grassers Amtszeit.
Weiters soll Grasser mit seinen Vertrauten für die Einmietung der Finanz in das Linzer Bürohaus Terminal Tower 200.000 Euro Schmiergeld erhalten haben. Die Genannten bestreiten die Vorwürfe und haben Rechtsmittel gegen die Schuldsprüche angekündigt - eingelegt werden können sie formal aber erst, wenn das Urteil vorliegt. Es gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Grassers Anwalt Manfred Ainedter kritisierte anlässlich des nahenden Jahrestages einmal mehr die lange Verfahrensdauer von deutlich über zehn Jahren seit Beginn der Ermittlungen und das nach wie vor ausständige schriftliche Urteil. Dies sei „skandalös“. Im Herbst hatte er einen Fristsetzungsantrag gestellt, um die Ausfertigung zu beschleunigen, das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat diesen Anfang November jedoch abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, Ainedter nannte sie eine „Fehlentscheidung".
Freisprüche rechtskräftig
Während die Schuldsprüche noch auf ihre Ausformulierung und die Betroffenen auf deren Zustellung warten, wurden im Verlauf der vergangenen zwölf Monate die sechs gefällten Freisprüche rechtskräftig. Weder die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) noch die Privatbeteiligten haben gegen das Urteil Rechtsmittel angemeldet.
(hell/APA)