Verspielt

Architektur für Kinder: Die kleinen Retter der Baukultur

Architektur ist eine Form von Macht. Deshalb versuchen Institutionen rechtzeitig, junge Menschen zu ermächtigen: durch Architekturvermittlung. Etwa im Architekturzentrum Wien oder bei „Bilding“ in Innsbruck.

So hineingeboren werden in eine Welt, das ist schon ganz praktisch. Dann muss man sich an viele Sachen nicht erst mühsam gewöhnen, sondern nimmt sie ganz selbstverständlich. Jugendliche können sich auch schneller anfreunden inzwischen mit Wohnungen, die schon bei einer Höhe von zweieinhalb Metern oben enden. Das hat Anne Wübben vom Architekturzentrum Wien auch beobachtet bei manchen Exkursionen – sie leitet den Bereich „Vermittlung“. Seit vielen Jahren übersetzt sie von einer gestalterischen Disziplin, die vielen als elitär und abgehoben gilt, hinüber ins normale Leben und zu jenen, die Architektur auch noch betrifft neben ihren Schöpfern: Und das sind mindestens alle anderen. Vor allem auch die Jüngeren unter ihnen.

Die gebaute Umwelt hat viel zu erzählen, aber dafür muss man auch junge Menschen einmal architektonisch alphabetisieren. „Damit sie die Architektur auch lesen können“, wie Wübben sagt. Allzu komplexe Kapitel würde sie bei den Jüngeren dann trotzdem noch nicht aufschlagen. Bei den Sechsjährigen etwa, da ginge es dann vornehmlich doch um sinnliche Erfahrungen. Der Mensch ist schließlich eine Antenne für Architektur. Und die Kinder gehören zu den sensibelsten von allen. „Das Schöne an Architektur ist es ja, dass sie auch direkt über unseren Körper wahrgenommen wird.“ Und deshalb lassen die Architekturvermittler und -vermittlerinnen beim AzW die Kinder und Jugendlichen auch einiges spüren: Wie sich Materialien anfühlen etwa. Oder auch, wie man in Kübeln, gefüllt mit Sand und Schotter, Fundamente legt, wenn es um das Thema Wolkenkratzer geht. Ein andermal fühlt man in eine andere Welt vor, in der auch gebaut wird: Wie wohnen eigentlich Tiere? Mit Älteren kann man auch schon über Konzepte vom Wohnen diskutieren. Auch über jene, die ihnen noch immer von den Eltern vorgeträumt werden: das Einfamilienhaus. Dass diese Wohnform nicht mehr so recht zum aktuellen Planeten passen will, muss man Jüngeren auch erst einmal begreiflich machen.Auch solche gesellschaftlichen Zusammenhänge seien die Aufgabe der Vermittlung, wie Anne Wübben meint. Genauso wie das Bewusstsein zu schärfen, dass Architektur ununterbrochen auf einen wirkt. Vom Kreißsaal bis ins Klassenzimmer und noch weiter. „Es geht für Jugendliche und Kinder auch darum, sich zu trauen, Ideen zu entwickeln und dabei eine Sprache zu finden“, sagt Wübben. Denn zwischen aller kons­truktiven Logik und gesellschaftlichen Zusammenhängen steht eines im Vordergrund: die Ermächtigung, das „Empowerment“. Also die „Stimme“ zu finden, die man braucht in einer Demokratie, die solche scheinbar abstrakten Dinge wie „Baukultur“ gemeinsam aushandelt. Die Architektur wird zum Vokabular, das sich lesen lässt. Und dafür hat das Architekturzentrum Wien so einige Schienen gelegt: Eine davon heißt etwa „Archikids“. Da kommen Experten aus der Praxis, berichten aus ihrer Welt, und mit ihnen rücken auch Lehm, Holz, oder Beton direkt in die Wahrnehmungswelt der Kinder und Schülerinnen. Die Architekturvermittler stoßen dann als Übersetzer dazu.
In Innsbruck hat die Architekturvermittlung für Kinder auch ihren fixen Platz. Die Kunst- und Architekturschule „Bilding“ war ursprünglich als Haus nur temporär angelegt, am Rand des Rapoldiparks, an „dem besten aller möglichen Orte der Stadt“, wie Leiterin Monika Abendstein meint, die ihrerseits im „schönsten Büro der Stadt“ arbeiten darf. Inzwischen ist Bilding für viele aus der Stadtlandschaft gar nicht mehr wegzudenken. Hier öffnen sich Räume und Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche von vier bis 19 Jahren. Das Haus selbst sei durch die Entstehungs- und Baugeschichte zum Modell dafür geraten, wie Architektur funktionieren und vor allem – wirken kann. „Wenn man zeigen will, was Architektur kann, dann ist es mit unserem Haus allein schon gezeigt“, sagt Monika Abendstein. Noch dazu sei es „aus der Zivilgesellschaft gewachsen, von einer jungen, engagierten Architektengruppe vorbereitet und umgesetzt“. Schon 2005 hatte Abendstein mit Architekturvermittlung für junge Menschen im Tiroler Architekturzentrum, dem aut, begonnen. 2009 gründete sie mit Freunden die Schule. 2015 war das Haus fertig, Eines, das den höchsten aller möglichen Gestaltungsansprüche erfüllt: Wenn die Hülle den Inhalt begünstigt.

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