Innenministerium

Corona-Demos: Schutz für Bürgermeister und Spitäler

Corona-Demonstrationen machen dem Innenressort immer mehr Sorgen. "Die Stimmung ist aufgeheizt", sagt Innenminister Karl Nehammer.
Corona-Demonstrationen machen dem Innenressort immer mehr Sorgen. "Die Stimmung ist aufgeheizt", sagt Innenminister Karl Nehammer.APA/Gert Eggenberger
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Immer mehr Bürgermeister werden von radikalen Gegnern der Corona-Maßnahmen bedroht. Die Polizei setzt nun auf Beratungen und Kooperation mit den Gemeinden.

Das Klima wird rauer – und das ist nicht im meteorologischen Sinn gemeint: Mittlerweile werden Krankenhäuser von der Polizei stärker bestreift, weil die Gefahr besteht, dass Coronaleugner bzw. Maßnahmen-Gegner den Betrieb stören. Vorigen Sonntag hatten Demonstranten vor dem Universitätsklinikum Salzburg „Widerstand“ skandiert. Politische Forderungen nach Bannmeilen um Spitäler waren die Folge. Zudem kam es zuletzt vermehrt zu Aufmärschen vor Wohnhäusern von Bürgermeistern sowie zu Drohungen gegen diverse Politiker.

Darauf reagiert nun das Innenressort. Bürgermeister und Abgeordnete werden in den nächsten Tagen von der Polizei beraten. Mittwochnachmittag kündigte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Videokonferenz mit ungefähr 400 Bürgermeistern eine engere Vernetzung zwischen der Polizei und den Ortschefs an.

Es sei das Wesen einer demokratischen Gesellschaft, „unterschiedliche Zugänge zur Eindämmung der Pandemie zu haben und auch öffentlich zu artikulieren“ – wenn aber „rote Linien überschritten werden, durch Drohungen oder Aufmärsche vor Wohnhäusern von Bürgermeistern, müssen wir unseren Rechtsstaat und jene, die ihn wesentlich tragen, schützen und konsequent gegen die Straftäter vorgehen“, so Nehammer.

Demonstrationen mit sehr heterogenen Teilnehmerfeldern

Per Video an die zugeschalteten Bürgermeister gewandt sagte Nehammer, er wisse, dass es gegen so manchen Einschüchterungen gebe, nur weil man für die Impfung eintrete. Was nun die Demonstrationen angehe, so sei zu beobachten, dass diese „sehr heterogen" besetzt seien. Einige Leute würden sogar ihre Kinder mitbringen, andere wiederum würden den Judenstern tragen und den Holocaust verharmlosen. Einige wenige, die radikalisiert seien, würden die Masse der Friedlichen als Schutzschild benutzen.   

Gemeindebundpräsident Alfred Riedl meinte: „Wir stellen uns klar und deutlich schützend vor unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und alle, die sich in den Gemeinden für die Gemeinschaft engagieren.“

Auf der Videokonferenz lieferte auch der deutsche Extremismus-Forscher Stefan Goertz seine Einschätzungen. Demnach können von radikalisierten Gegnern der Corona-Maßnahmen diverse Gefahren ausgehen – das reiche von aggressiver Rhetorik über Blockaden öffentlicher Einrichtungen bis hin zu Sachbeschädigungen, Drohungen und körperlicher Gewalt. Dazu passt übrigens, dass zuletzt das im 20. Bezirk liegende Büro der Elga (elektronische Gesundheitsakte) geschlossen wurde, eben weil so viele Drohungen von Maßnahmen-Gegnern eingingen.

Laut Goertz sei es ein Merkmal der Demos, dass zum „Widerstand“ aufgerufen werde. In letzter Konsequenz könne von „potenzieller Gewalt" gegen Bürgermeister gesprochen werden. Es könne Extremisten geben, die bei Demos die Agitation übernehmen. Immer wieder werde gegen „die da oben“, gegen „entrückte Politiker“ gewettert.

Wenn Todeslisten in die Welt gesetzt werden

Verschwörungsmythen würden die Bereitschaft zu kriminellen Handlungen fördern. Auch auf friedlichen Demos gebe es immer wieder Teilnehmer, die mittels Narrativen zu Gewalt aufstacheln. So sei oft von einer Elite, die manipulieren wolle, die Rede. Reichsbürger und Querdenker würden gar - das zeige sich in Deutschland - Todeslisten in die Welt setzen.

In der Logik von Extremisten seien die Bürgermeister diejenigen, die andere „mit dem Masken-Scheiß nerven“, erklärte Goertz unter Heranziehung von Kommentaren auf sozialen Medien.

Indessen vermutet der Chef der Direktion für Staatssicherheit und Nachrichtendienst, Omar Haijawi-Pirchner, dass es eine Herausforderung für den Verfassungsschutz werden wird, sollten Kinder in die kommende Impfpflicht legistisch einbezogen werden.

Seitens des Bundeskriminalamts meinte Manuel Scherscher, dass die Bedrohungen gegen Bürgermeister zunehmen würden. So etwas habe es vorher nicht gegeben. Auch Impfstraßen und Spitäler würden bedroht. Es sei auch schon Krankenhauspersonal angespuckt worden. Als Polizei schaue man aber nicht tatenlos zu. Auch ("nur") im Internet begangene Delikte würden verfolgt werden.

Die Straftatbestände könnten sein: Verhetzung, üble Nachrede, NS-Wiederbetätigung usw. 21.000 derartiger Straftaten wurden heuer bereits angezeigt. In den Gemeinden sollten Sicherheitsgemeinderäte eingesetzt werden. Übergriffe oder Straftaten sollten dokumentiert werden. Bei Hasspostings sollten Provider ersucht werden, Löschungen vorzunehmen. Dafür gibt es mittlerweile ein eigenes Formular. Dies macht es leichter an Provider oder Betreiber von Plattformen heranzukommen. 

Die Bürgermeister sollten sich auch nicht auf Diskussionen mit Verschwörungstheoretikern einlassen, sondern eher nur Fragen stellen und auf Selbstreflexion des Gegenübers hoffen. Es brauche jedenfalls Sicherheitskonzepte auf kommunaler Ebene. Insofern sei Vernetzung zwischen der Polizei und den Gemeinden wichtig.      

Weitere Demos angekündigt

Noch einmal zu der eingangs erwähnten Forderung nach einer Bannmeile vor Spitälern. Eine solche lässt sich aus rechtlichen Gründen nicht präventiv verhängen. Möglich wäre es, bei konkreten Bedrohungslagen für einen bestimmten Zeitraum polizeiliche Platzverbote auszusprechen.

Indes ist nicht anzunehmen, dass es ruhiger wird. Im Gegenteil. Die FPÖ weist auf ihrem „Demokalender“ (Motto: „Widerstand hier und jetzt“) auf diverse Kundgebungen hin, so etwa auf eine „Großdemo in Wien“ am Samstag.

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