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Kurz verkündet Rücktritt: "Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher"

Sebastian Kurz verkündet seinen Rücktritt als ÖVP-Chef.
Sebastian Kurz verkündet seinen Rücktritt als ÖVP-Chef. (c) Getty Images (Thomas Kronsteiner)
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Ex-Kanzler Sebastian Kurz tritt als ÖVP-Parteichef und als Klubobmann zurück. Innenminister Karl Nehammer dürfte Kanzler werden. Am Freitag findet ein Bundesparteivorstand statt.

Wenige Tage nachdem er Vater wurde, hat Sebastian Kurz weite Teile seiner ÖVP geschockt: Der ehemalige Bundeskanzler kündigte intern seinen Rückzug aus allen politischen Spitzenfunktionen sowie als Vorsitzender der Volkspartei an.

Am Donnerstagvormittag trat Kurz dann mit einer „persönlichen Erklärung“ vor die Presse.  „Wenn man auf einen prägenden Lebensabschnitt zurückblickt und – trotz aller Herausforderungen – vor allem eines, nämlich Dankbarkeit, empfindet“, begann der Altkanzler, „glaube ich, darf man sich sehr glücklich schätzen“. Er hoffe, er habe seinen Beitrag leisten können, „unser wunderschönes Österreich ein kleines Stück in die richtige Richtung zu bewegen“. Er habe jedenfalls stets sein Bestes dafür gegeben. 

Die Rücktrittserklärung von Sebastian Kurz

Spitzenpolitik bedeute ein ständiges Wechselbad an Gefühlen, führte er aus. Es sei wunderschön, etwas bewegen zu können, gleichzeitig müsse man jeden Tag so viele Entscheidungen treffen, dass man schon in der Früh wisse, dass auch falsche dabei sein werden. Kurz sprach von dem „Gefühl, gejagt zu werden“. Das habe sein Team und ihn aber stets auch zu Höchstleistungen motiviert. „Mein Team und ich haben in den letzten zehn Jahren fast rund um die Uhr gearbeitet“, betonte der Altkanzler. Die eigene Familie sei dabei vernachlässigt worden.

„Meine Flamme ist kleiner geworden“ 

Mit der Geburt seines Sohnes sei ihm mehr und mehr bewusst geworden, „wie viel Schönes und Wichtiges es außerhalb der Politik gibt“. Man müsse in der Politik mit 100 Prozent Begeisterung dabei sein, und das sei er die letzten zehn Jahre gewesen. In den vergangenen Monaten, Wochen und Tagen sei die Leidenschaft für Politik aber geschrumpft, seine „Flamme ein bisschen kleiner geworden“. Zuletzt sei es im politischen Alltag vor allem um die Abwehr von Unterstellungen und Verdächtigungen gegangen, beklagte der 35-Jährige: „Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher.“ 

Fest stehe aber auch: Er freue sich auf den Tag, an dem er vor Gericht beweisen könne, dass die Vorwürfe gegen ihn falsch seien. „Es war die Ehre meines Lebens, daran werde ich mich immer erinnern“, sagte Kurz über seine Zeit in der Spitzenpolitik. Manche würden sagen, dass Politik ein undankbares Geschäft sei – dem schließe er sich nicht an. „Es ist unglaublich schön, für das eigene Land zu arbeiten und diesem zu dienen.“ Man bekomme als Politiker von den Menschen „auch unheimlich viel zurück“.

Er habe immer gedacht, dass die beiden Nationalratswahlkämpfe, aus denen er siegreich hervorgegangen sei, „nicht zu toppen“ seien. Vor ein paar Tagen habe ihn die Geburt seines Sohnes eines Besseren belehrt: „So ein kleines Baby kann man stundenlang anschauen und ist froh und glücklich darüber.“Über seine Nachfolge als Parteichef verriet Kurz nichts. Die Leitung des ÖVP-Klubs werde er wieder an August Wöginger übergeben und in den nächsten Wochen werde er „eine geordnete Übergabe all meiner Funktionen sicherstellen“. Der erste Schritt dorthin: Am morgigen Freitag wird eine Sitzung des Bundesparteivorstands stattfinden. „Ich bin überzeugt, dass es auch in Zukunft eine starke Volkspartei geben wird“, versicherte Kurz.

Für ihn beginne nun ein neues Kapitel, im neuen Jahr werde er sich beruflich neuen Aufgaben widmen. Er freue sich auf diesen neuen Lebensabschnitt. Mit den Worten, „Ich werde jetzt aufbrechen und meinen Sohn und meine Freundin aus dem Spital abholen", beendete Kurz nach knapp 20 Minuten seine Pressekonferenz – Fragen beantwortete er nicht.

Nehammer dürfte Kanzler werden

Als wahrscheinlichste Variante für Kurz' Nachfolge als Parteichef gilt Innenminister Karl Nehammer. Er wird dann auch Alexander Schallenberg als Bundeskanzler ablösen, der in diesem Fall zurück in das Außenamt wechseln würde. Im morgigen Parteivorstand wird Kurz nach „Presse"-Informationen jedenfalls Nehammer als geschäftsführenden Parteiobmann vorschlagen. Eine weitere Regierungsumbildung gilt als nicht ausgeschlossen.

Im Oktober war Kurz bereits als Kanzler zurückgetreten, nachdem er ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geraten war. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte ihn wegen der Vorwürfe der Justiz für nicht mehr amtsfähig erklärt.

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