Mein Freitag

In der fünften Jahreszeit vor dem Krapfen gurgeln

Die Presse/Clemens Fabry
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In der Nacht glühen die Server, die Laborbefunde gehen um.

Auf dem kleinen Fläschchen mit Badeöl steht „Vitality Booster“, und es verspricht orangerote Lebensfreude. Genauso wie beim Büro namens „Cluster“, das mehreren Kreativen einen Arbeitsraum bietet, haben sich diese einst so vielversprechenden englischen Ausdrücke in der Pandemie verselbstständigt. Nicht freiwillig allerdings, sie wurden gekidnappt. Booster und Cluster haben nun Spikes bekommen, die man weder den Laufschuhen im Schnee noch den Reifen mehr anlegen will. Das Virus kann sich seine Stacheln behalten.

Wichtige Nachrichten trudeln nun immer mitten in der Nacht ein. Früher waren es Botschaften von nicht mehr ganz nüchternen Menschen, die um diese Zeit das Handy vibrieren ließen. Nun ist es mein Laborbefund. Immer noch ist es spannend, ob er denn rechtzeitig kommt und was er besagt. Man stellt sich vor, wie in der Laborzentrale emsige Menschen um drei Uhr in der Früh E-Mails verschicken, auf die irgendjemand sehnsüchtig wartet, um seinem Leben mit weniger Hürden nachgehen zu können.

Früher gab es da eine ähnliche kleine Spannung, wenn man auf sein Uni-Institut ging und die Laden auf dem Gang herauszog, in der Erwartung, dass der Prüfungsschein drinliegen möge. Und noch früher, wenn der Briefträger um die Ecke bog, um wieder keinen Brief der Sommerliebe zu bringen. So sind also die kleinen Freuden im Lockdown, wenn es Post von meinen unbekannten Freunden im Labor gibt. Hoffentlich werden diese Gurgel-Videos alle geschreddert.

„Ich habe wieder mein Lockdown-Outfit herausgesucht“, erzählt die Nachbarin in der Schlange beim Take-away und lacht ein wenig zu angestrengt. Schicke Boots, bequeme Hose, eine Komposition aus weicher Wolle und Komfort für die Expedition ums Eck. Lockdown ist längst zur fünften Jahreszeit mit gewissen Ritualen geworden. Früher war dies der Fasching, nun fällt beides zusammen. Aber nach dem Krapfen zu gurgeln, davon ist dringend abzuraten.

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