Analyse

Warum zwei Ischgl-Klagen abgewiesen wurden

In Ischgl beginnt - wenn auch stark eingeschränkt - die Skisaison. Indessen sind zwei Klagen von früheren Urlaubern abgewiesen worden.
In Ischgl beginnt - wenn auch stark eingeschränkt - die Skisaison. Indessen sind zwei Klagen von früheren Urlaubern abgewiesen worden.REUTERS
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Zwei Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich, eingebracht von einstigen Ischgl-Urlaubern, wurden abgewiesen: Der Staat sei in einer Epidemie der Allgemeinheit verpflichtet, nicht dem Einzelnen, heißt es.

„Winter in Ischgl. Skigebiet ab 3. Dezember für Tagesgäste geöffnet.“ So steht es auf der Homepage des Tiroler Skiortes. Am Freitag also geht es wieder los. Wenn auch in kleinem Rahmen; das legendäre Après-Ski ist wegen Corona unmöglich. Und damit ist das Stichwort gefallen: Weil sie sich im März 2020 in Ischgl mit Corona angesteckt haben, fordern eine Frau und ein Mann Schadenersatz von der Republik – diese beiden Klagen (andere sind anhängig) sind (wie bereits berichtet) abgewiesen worden. Analysiert man das für den Mann gesprochene Urteil, wird klar: Die Chancen zu „gewinnen“ standen offenbar von Anfang an ziemlich schlecht.

Exemplarisch sei hier also der vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen geschriebene Spruch für einen 54-Jährigen aus Baden-Württemberg, einen einstigen Ischgl-Urlauber, unter die Lupe genommen. Das Gericht hat dessen Klage umgehend abgewiesen. Und der Beklagten, nämlich der Republik Österreich, Recht gegeben. Plakativ formuliert könnte man sagen: Im Namen der Republik wurde ebendiese „freigesprochen“.

Zur Ausgangslage: Der Kläger, ein Bankkaufmann, war von 5. bis 8. März 2020 auf Urlaub in dem Ort, den man in Deutschland gern „Ballermann der Alpen“ nennt. Kurz nach seiner Rückkehr brach die Krankheit aus. Und nahm einen akut lebensbedrohlichen Verlauf. Bis 22. April musste der Mann im Krankenhaus intensiv behandelt werden. Bis 20. Mai verbrachte er in eine Reha-Klinik. Er selbst sagt, er sei knapp dem Tod entronnen.

Hätten Urlauber gewarnt werden müssen?

Im September 2020 brachte er Amtshaftungsklage gegen Österreich ein. Hätten die Behörden rechtmäßig und unverzüglich gehandelt, wäre er nicht an Corona erkrankt. Die Republik insbesondere das Gesundheitsministerium, der Tiroler Landeshauptmann sowie Bezirksverwaltungsbehörden, seien für seine Infektion verantwortlich.

Die Behörden hätten schon Ende Februar, Anfang März Kenntnis vom grassieren Virus gehabt. Sie hätten daher die Skigebiete schließen und betroffene Personen in Quarantäne nehmen müssen, Anreisende hätten gewarnt werden müssen. So lautet die Argumentation des Mannes. Den Streitgegenstand bewertet er mit 90.802 Euro und 74 Cent.

Die Vertreter der Republik hielten im Prozess dagegen. Medien hätten über Corona berichtet, es sei daher allgemein bekannt gewesen, dass es die Krankheit gebe. In Tirol seien nach einem Hinweis des europäischen Warnsystems in der Nacht auf den 5. März 2020 sukzessive alle vorgeschriebenen Schritte auf Basis des Epidemiegesetzes veranlasst worden. Außerdem: Der Kläger müsse nachweisen, dass er sich in Ischgl und nicht anderswo infiziert habe.

Aus dem Urteil: „Eine rechtliche Sonderverbindung zwischen einzelnen Erkrankten wie dem Kläger einerseits und der Beklagten andererseits besteht nicht.“ Und: „Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betreffen die Allgemienheit. In deren Interesse wurde das Epidemierecht normiert.“ Anders gesagt: „Auf einer Rechtspflicht gerade dem Kläger gegenüber kann (...) nicht geschlossen werden."

Auch das noch: „Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall aber auch kein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten von Organen der Beklagten erkennbar, das kausal für die Erkrankung des Klägers gewesen wäre.“

Sammelklage angedroht

Fazit: Die Klage wurde abgewiesen. Der Kläger muss der Beklagten 4275,20 Euro Verfahrenskosten plus 3,28 Euro Fahrtkosten ersetzen.

Man kann dies – frei übersetzt – als gehörige Abfuhr bezeichnen. Dennoch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Verbraucherschutzverein (VSV) unterstützt Dutzende Kläger. Obmann Peter Kolba: „Wir werden es nicht zulassen, dass über die massiven Behördenfehler in Ischgl im Jahr 2020 der Mantel des Schweigens gebreitet wird.“ Und: „Wir werden gegen diese Skandalurteile Berufung erheben, weitere Klagen einbringen und eine Sammelklage organisieren.“

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