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Industrie ist Treiber der Energiewende

Moderator Jakob Zirm, „Die Presse“ diskutierte mit Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria, Radisa Nunic, Verkaufsleiter für alternative Antriebe von Worthington, Thomas Salzer, Präsident der IV NÖ, und Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von NÖ.
Moderator Jakob Zirm, „Die Presse“ diskutierte mit Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria, Radisa Nunic, Verkaufsleiter für alternative Antriebe von Worthington, Thomas Salzer, Präsident der IV NÖ, und Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von NÖ.(c) © Guenther Peroutka
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Vollversammlung der IV NÖ. Anlässlich der virtuellen Hauptversammlung der Industriellenvereinigung Niederösterreich fand eine Diskussionsrunde mit namhaften Experten zum Thema Klimawandel statt.

Moderator Jakob Zirm, stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft bei „Die Presse“, interessierte zunächst die Meinung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, inwiefern die ehrgeizigen Paris-Ziele (45 Prozent Einsparung an CO2-Emissionen bis 2030) noch zu erreichen wären, wenn Niederösterreich mit mehr als 10,5 Tonnen CO2-Emissionen im Moment den dritthöchsten Wert in Österreich aufweise. Mikl-Leitner argumentierte, dass in Niederösterreich die Raffinerie der OMV und gleich daneben der Flughafen Wien liege; Gegebenheiten, die die Ergebnisse zu Ungunsten Niederösterreichs verschieben würden. „Außerdem ist Niederösterreich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs von einer Grenzregion zu einem prosperierenden Bundesland geworden, in dem die Wirtschaft um 65 Prozent gewachsen ist und die Treibhausgas­emissionen um vier Prozent zurückgingen“, erklärte Mikl-Leitner. Sie stimmte mit dem Moderator überein, dass die Pariser Ziele eine Herausforderung für alle wären.

Allerdings seien nur sieben Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf Europa zurückzuführen, der Rest entfalle unter anderen auf China mit 27, die USA mit elf und Indien mit fast sieben Prozent.
Laut Mikl-Leitner existiere global gesehen „kein seriöser Plan, wie man aus der Abhängigkeit von Öl und Gas herauskommen will“. Auf dem Gebiet der Stromproduktion könne man in Niederösterreich auf mehr als 100 Prozent erneuerbare Energie zurückgreifen: Neben den Donau-Wasserkraftwerken und 650 kleineren Wasserkraftanlagen sind 724 Windräder im Einsatz, was 55 Prozent aller in Österreich aktiven Windkraftanlagen entspricht. Mikl-Leitner: „Zusätzlich sind noch 50.000 private Fotovoltaikanlagen an das Stromnetz angeschlossen. In der Gasproduktion wollen wir aus dem fossilen Gas aussteigen und mehr Green Gas produzieren.“
In Zukunft wird das Bundesland laut Energiefahrplan 2030 die Treibhausgasemissionen um 36 Prozent verringern. Geschafft wird das, indem die Anzahl der Fotovoltaik­anlagen verzehnfacht und die Windkraftanlagen einem Repowering unterzogen werden, um Strom noch effizienter zu produzieren.

Klimaschonende Projekte

Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung NÖ, wurde vom Moderator anschließend gefragt, warum Niederösterreich die CO2-Emissionen seit 1990 nicht wie zahlreiche andere europäische Regionen verringern konnte. Salzer führte dies unter anderem auf die Tatsache zurück, dass die heimischen Betriebe schon früh auf Gas umgestellt hätten, viele andere Nationen würden erst jetzt nachziehen und außerdem auf Atomkraft setzen.
Salzer: „Weiters sind zurzeit viele klimaschonende Projekte in Ausarbeitung. So hat beispielsweise die Stahl-, Zement- und Papierbranche ihr Wachstum von CO2 entkoppelt.“ Wie Mikl-Leitner meint Salzer, dass Europa allein die Klimakrise nicht lösen könne. Global gesehen müssen Unternehmen neue Technologien einsetzen, um den Klimawandel zu stoppen. Europaweit brauche es jedenfalls ein Commitment zum Industriestandort Europa. Salzer: „Wir als Industrie sind im Kampf gegen den Klimawandel nicht das Problem, sondern ein Treiber und ein Teil der Lösung. Wir sind die Enabler, denn wir werden die Energiewende durch neue Technologien, die unsere Betriebe erfinden, möglich machen.“

Wie grün ist die Industrie?

Klimafreundliche Investitionen sind aber teurer, welche Investitionen ergeben daher Sinn? Das wollte Zirm von Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria, wissen. Und wie grün sei überhaupt die österreichische Industrie? Köppl-Turyna bestätigte, dass seit 2009/10 die Treibhausgasemissionen europaweit stark gesunken seien, in Niederösterreich aber vieles vom Sektor Verkehr abhänge und deshalb das Bundesland mehr Herausforderungen habe. Deshalb sei mit der Steuerreform eine CO2-Bepreisung für den Verkehr begrüßenswert, die 2025 ins europäische System übernommen werden sollte. Abfederungsmaßnahmen seien erwünscht, um die sozialen Folgen des Green Deal abzufedern. „Ein wichtiger Punkt ist auch Carbon Leakage, denn es ist nicht nur aus ökonomischer Sicht wichtig, dass die Betriebe in Österreich bleiben und produzieren, sondern auch in ökologischer Hinsicht“, erklärt Köppl-Turyna. „Es macht keinen Sinn, wenn die Betriebe Komponenten zukaufen oder gar auswandern in Länder, wo es keine CO2-Bepreisung gibt. Womit wir auch die Klimaziele auf der globalen Ebene verfehlen würden.“ Im Green Deal sei es außerdem sinnvoll, dass nicht nur auf die Elektro­mobilität gesetzt, sondern auch die Wasserstofftechnologie forciert werde, ist die Wirtschaftsforscherin überzeugt.

Enormes Potenzial

Als weiterer Experte wurde Radisa
Nunic, Verkaufsleiter für alternative Antriebe von Worthington, zur Diskussion geladen. Ihm stellte Zirm die Frage, welches Potenzial der Experte in der österreichischen Wasserstoffwirtschaft sehe. „Die heimische Wirtschaft ist in diesem Sektor gut aufgestellt, es existieren 180 Unternehmen mit rund 2000 Arbeitsplätzen“, erklärte Nunic. „Die Zukunft sieht positiv aus, die Bedeutung von Wasserstoff wird durch neue Investitionen noch wachsen.“ Worthington selbst habe zuletzt kräftig die Sparte Wasserstoff ausgebaut.
Nunic berichtete über Initiativen auf dem Gebiet der Erzeugung, Distribution, Gütertransport, Mobilität und Wärmeerzeugung. Das sei ein noch unbekannter Verwendungszweck, an der TU Graz existiere ein eigenes Wärmeinstitut, das auf diesem Gebiet forsche. Österreich gesamt sei laut Nunic im Bereich der Green Tech vorn mit dabei. Es gebe seit 2005 einen Wasserstoff-Cluster mit 20 Unternehmen, die in ihrer Sparte Technologieführer seien. Entscheidend sei für ihn, dass die Wasserstoffsparte in Österreich technologisch immer am Puls der Zeit bleiben müsse. Nunic: „Wasserstoff ist für die Dekarbonisierung wichtig. Es besteht das reale Risiko, dass wir dafür zu wenig tun. Wir müssen also handeln.“


Zum Abschluss der Diskussion erörterte der „Presse“-Redakteur mit Wirtschaftsexpertin Köppl-Turyna das Thema, ob durch die Green Economy Jobs eher vernichtet oder geschaffen werden. Sie ist überzeugt, dass neue Jobs entstehen: „Ich habe nicht das Gefühl, dass uns die Arbeit ausgehen wird. Wichtig ist, dass wir die Menschen entsprechend qualifizieren. Es gibt im Moment österreichweit 270.000 offene Jobs, die ausgeschrieben sind. Etwa so viele, wie arbeitslose Personen im Land leben. Diese müssen nur zu den richtigen Jobs finden.“

Information

Der Talk fand auf Einladung von „Die
Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von IV Niederösterreich.

niederoesterreich.iv.at


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