Fredi Ferková und ihr Freund Lukas sind derzeit in Lissabon.
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Flucht vor dem Lockdown: Vier Erzählungen aus Ländern, in denen Covid nicht alles dominiert

Während in Österreich Geimpfte wie Ungeimpfte zu Hause bleiben müssen, gibt es in Europa und Übersee Länder, in denen die Pandemie derzeit nicht so stark wütet. Warum also den Lockdown hier verbringen, wenn es woanders schöner ist?

Sie hat dann doch einen Freudentanz aufgeführt. An jenem Novembertag, an dem die Republik Österreich beschloss, wieder in den Lockdown zu gehen. Und zwar für alle – Geimpfte wie Ungeimpfte. Die Wucht der vierten Welle hat diesen harten Schritt notwendig gemacht. Fredi Ferková saß an jenem Tag rund 3000 Kilometer entfernt in Lissabon und hat gejubelt. „Gott sei Dank“ hat sie sich gedacht. Ihre Entscheidung, schon im Oktober das Land zu verlassen, war die richtige gewesen. Auch wenn sie sich freilich für ihr Heimatland etwas anderes gewünscht hätte.

Es ist der vierte Lockdown, in dem sich Österreich derzeit befindet – und er ist gemessen an den Spannungen im Land auch der schwierigste. Probate Mittel zur Eindämmung der Pandemie wären da, nur greifen sie nicht in einem Land, in dem die Zahl der Impfskeptiker exorbitant hoch ist. Während weltweit Länder klagen, dass sie zu wenig Anti-Covid-Vakzine haben, verschmähen viele Österreicher einfach die Impfung. Das führt das Land in die seltsame Situation, trotz Impfung und fast zwei Jahren medizinischer Erfahrung seine bisher schlimmste Pandemiewelle erleben zu müssen.

Fredi Ferková hat das ein bisschen kommen sehen. Sie hat sich bereits im Sommer gedacht, „dass die das wieder nicht auf die Reihe bekommen werden“. Was sie damals auch wusste: Einen Herbst wie im vergangenen Jahr will sie nicht noch einmal erleben. „Ich habe den letzten Lockdown als psychisch sehr anstrengend in Erinnerung. Das Management der Regierenden, aber auch die Sache mit dem Home-Office hat für mich nicht funktioniert“, sagt Ferková. Die 29-Jährige war eine Zeit lang im Social-Media-Team der Neos tätig. Vielen ist sie aber als Gründerin des Musikkollektivs Hausgemacht bekannt, das nur heimische DJs beschäftigt und die Sex-Positive-Partys „Zusammen kommen“ organisiert. „Ich hab mir dann gedacht, wenn ich wieder dableibe, dann riskier ich meine Lebensfreude und mein Lebensglück.“ Immerhin sei sie nach Ende des vergangenen Lockdowns im Mai ja nicht sofort wieder glücklich gewesen. Also entschied sie, dorthin zu gehen, wo der Winter nicht so hart ist und wo man auch nicht der „Willkür der Herrschenden“ ausgesetzt sei. Portugal mit seiner Durchimpfungsrate von 87 Prozent lag da nahe. Anfang Oktober flogen ihr Freund Lukas, der sowieso im Home-Office arbeitet, und sie nach Lissabon.

Und sie sind bei Weitem nicht die Einzigen. Seit bekannt wurde, dass es einen Lockdown für alle geben wird, haben einige Österreicher beschlossen, das Land zu verlassen oder sich den Einschränkungen zu entziehen. Die Billig-Airline Wizz verzeichnet derzeit definitiv mehr Buchungen in Länder wie Spanien und Portugal, wo die Restriktionen gering und die Impfrate hoch seien. Aber nicht nur. „Wir sehen bei Wizz Air klar, dass die Reiselust der Passagiere da ist und sich die Nachfrage nach Flügen zu jenen Destinationen, wo die Einreisebestimmungen unkompliziert sind, verstärkt hat“, heißt es von Wizz-Air-Sprecher Andras Rado zur „Presse am Sonntag.“ Beim Reiseveranstalter Tui hat man beobachtet, dass jene, die schon davor eine Reise gebucht hatten, diese auch angetreten haben. Obwohl der Lockdown grundsätzlich die Nachfrage nach Urlaubsreisen drossle. Von einem Massenphänomen zu sprechen wäre ohnehin falsch. Denn so spontan wegfliegen können sich die wenigsten leisten, schon gar nicht Familien mit schulpflichtigen Kindern. Wenn auch Geschichten über Kinder, die von den Malediven aus am Unterricht teilnehmen, die Runde machten.

Auf einmal ist reisen möglich. Auch bei Fredi Ferková haben sich „Lockdown-Flüchtlinge“ für einen Besuch angemeldet. „Die sind aber alle geimpft“, fügt sie hinzu. Die Freunde hätten davor nicht kommen können, aber mit Home-Office und Home-Uni „ist es halt jetzt möglich geworden“. 19 Menschen werden sie und ihren Freund Lukas bis zum Ende ihres Aufenthalts vor Weihnachten besuchen. Freilich hätten sich einige dieser Freunde bereits im September angemeldet.

Und wie lebt es sich jetzt in Lissabon? „Sehr, sehr gut“, sagt Ferková. Bis zum 1. Dezember habe es kaum Covid-Maßnahmen gegeben. Niemand fragte mehr nach Impfnachweisen oder Tests in Lokalen. Nur in Supermärkten und den öffentlichen Verkehrsmitteln musste man noch Masken tragen. Viele Portugiesen taten es auch woanders freiwillig.
Auch jetzt seien mit den steigenden Infektionen und einer Sieben-Tage-Inzidenz von 210 die Maßnahmen überschaubar. In Lokalen wird nun der Impfnachweis kontrolliert, es herrscht wieder Indoor-Maskenpflicht, für Clubs braucht es Tests, und wer ins Land fliegt, braucht zur Impfung auch noch einen negativen PCR-Test. Von großen Einschränkungen noch keine Spur. Home-Office wird empfohlen, aber das hätten ihr Freund und sie sowieso. Mittlerweile ist Ferková in Bildungskarenz, sie schreibt an einem Roman und hat einen MBA für Digital Marketing begonnen.

Dass die Infektionszahlen im Land steigen, mache die Menschen nicht nervös. „Die Leute sind hier so viel wissenschaftsfreundlicher.“ Man wisse auch schon jetzt, dass es im Jänner für eine Woche eine Art harten Lockdown geben werde. Die portugiesische Regierung fährt das Land vom 2. bis 9. Jänner komplett herunter, um auf die steigenden Infektionen, die es wegen Weihnachten und Neujahr geben wird, zu reagieren. Bars und Lokale müssen geschlossen bleiben, Home-Office ist verpflichtend, und auch die Schulen sind zu. „Dadurch, dass es so viel Planbarkeit gibt, gibt es auch keinen Grund zum Sudern.“

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