Regionale Unterschiede

Experten fordern "Teil-Lockdown" im Westen Österreichs

Virologin Von Laer fände es gut, wenn der Eindämmung des Infektionsgeschehens "noch eine Woche länger gegönnt werden würde."
Virologin Von Laer fände es gut, wenn der Eindämmung des Infektionsgeschehens "noch eine Woche länger gegönnt werden würde."Die Presse/Clemens Fabry
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Simulationsforscher Niki Popper fordert trotz sinkender Infektionszahlen eine strengere Kontrolle der Corona-Maßnahmen. Die Virologin Dorothee Von Laer weist auf große regionale Unterschiede hin. Sie befürwortet eine Verlängerung des Lockdowns im Westen.

Die Innsbrucker Virologin Dorothee Von Laer rät angesichts großer regionaler Unterschiede bei der Sieben-Tages-Inzidenz dazu, den Lockdown für Geimpfte in den westlichen Bundesländern um eine Woche zu verlängern. Dass Handel, Gastronomie und Hotellerie im Osten mit "flankierenden Maßnahmen" öffnen sollen, begrüßte Von Laer am Dienstag. Generell entwickle sich die Lage in allen Bundesländern "in die richtige Richtung".

Weil manche Regionen aber schon von Beginn an "hinterhergehinkt" sind, seien die westlichen Bundesländer von dem "vernünftigen Niveau", sprich einer Sieben-Tages-Inzidenz unter 300 noch "weit entfernt". "Wir müssen jetzt vorsichtig sein", mahnte Von Laer. Denn auf den Intensivstationen sei "noch keine wirkliche Entspannung" zu sehen. Allerdings sei die Zahl der Neuinfektionen in Österreich rückläufig, betonte die Medizinerin. Am Dienstag lag die Zahl der bundesweit bestätigten aktiven Fälle erstmals seit vier Wochen wieder unter 100.000.

Regionale Teilung wie zu Ostern wäre möglich

Es stelle sich natürlich die Frage, ob eine Verlängerung des Lockdowns auch für Geimpfte im Westen politisch durchsetzbar wäre, merkte die Virologin an. Es wäre aber aus ihrer Sicht "gut, wenn man sich hier noch eine Woche länger gönnen würde". Auch zu Ostern sei eine solche "regionale Teilung" schließlich möglich gewesen. Damals hatte eine unverändert kritische Situation auf den Intensivstationen in der Ostregion zu einer Verlängerung des Lockdowns in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland geführt. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) deutete am Dienstag regionale Lösungen ab kommender Woche an, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, ein Ende des Lockdowns mit kommendem Wochenende sei fix, die Frage sei nur noch das Wie. "Die Öffnung wird stattfinden.“, hieß es.

Von Laer sprach sich nach wie vor gegen eine Öffnung der Nachgastronomie aus. "Orte wie Bars und Diskotheken, an denen es keine festen Sitzplätze gibt und womöglich auch noch getanzt wird - das ist im Moment noch zu riskant", führte sie aus. Auch von Großveranstaltungen sei aktuell noch abzuraten.

Omikron spiele ihrer Ansicht nach in der aktuellen Öffnungsdebatte keine "akute" Rolle. Wesentlich sei jedoch, dass der "dritte Stich" weiter beworben wird. Sollte die Omikron-Mutation in den nächsten Wochen überwiegen, "ist es sicherlich gut, wenn so viele Menschen wie möglich bereits ein drittes Mal geimpft sind", unterstrich Von Laer. "Parallel zu langsamen Öffnungsschritten, dem Erlass flankierender Maßnahmen und Impfanreizen muss Omikron in der langfristigen Diskussion durchaus berücksichtigt werden", resümierte die Virologin.

Weiter absinkende Infektionslage erwartet

Von einer absinkenden Infektionslage auch in den nächsten Tagen geht im Vorfeld der Entscheidung über Öffnungsschritte am Mittwoch der Simulationsforscher Niki Popper aus. Dafür verantwortlich sind der Teillockdown, der Lockdown, die gestiegenen Impfraten und auch regional teils sehr hohe Immunitätsraten. Gehe man nun Öffnungsschritte an, sind aber vor allem bundesweit funktionierende und kontrollierte Sicherheitsnetze und eine weiter hohe Impfbereitschaft wichtig.

Die aktuellen Prognosen würden jedenfalls zeigen, dass der Trend der Neuinfektionen klar nach unten geht. "Im Grunde haben wir im Moment Halbierungszeiten von sechs bis acht Tagen, wobei der Effekt langsam schwächer wird", so Popper. Dementsprechend positiv fällt die Einschätzung der Fallzahlen auch aus. Während der Teillockdown schon dabei half, den Höhepunkt der bestätigten Neuinfektionen zu erreichen, habe spätestens der Komplettlockdown in der Folge die Geschwindigkeit der Reduktion erhöht, erklärte Popper.

Der Forscher und sein Team vom Unternehmen dwh, einem Spin-off der Technischen Universität Wien, gehen mittlerweile von mehr als 71 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, die momentan gegen den aktuellen SARS-CoV-2-Erreger, die Delta-Variante, immunisiert sind. Das zeigt die aktuelle "Modellbasierten Schätzung des Immunisierungsgrades in Österreich" von Anfang Dezember. In manchen Bundesländern liege dieser Wert aber mitunter schon um rund zehn Prozentpunkte höher. Mancherorts vor allem durch das Impfen, andernorts jedoch eher durch zuletzt sehr hohe Infektionsraten. "Das bremst die Dynamik auch, allerdings ist der gesundheitliche Schaden weitaus höher", sagte Popper.

Wochen vor dem Lockdown waren entscheidend

Hier offenbare sich einmal mehr das frustrierende Bild, dass in den Wochen vor dem neuerlichen Lockdown nicht viel an Immunisierung durch Impfung gefehlt hätte, um die sehr hohe vierte Welle abzumildern. "Es haben uns eigentlich nicht viele Prozente gefehlt - das waren aber die wichtigen Prozente." Es sei dementsprechend "schade", dass die Situation trotzdem so eskalieren musste, dass ein Lockdown die Ultima Ratio der Politik war. Davor wären viel mildere Maßnahmen effektiv gewesen.

Auf den Intensivstationen ist die Situation aber auch jetzt noch kompliziert, weil die Covid-19-Belegungszahlen erst zeitversetzt sinken. Das müsse man bei etwaigen Öffnungen mitberücksichtigen, denn es werden in den nächsten Wochen aufgeschobene Operationen nachgeholt und auch die aktuellen Infektionen, etwa mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus seien ein zusätzlicher Faktor, wie in der Folge auch Influenza. Nicht zuletzt kämen dann mögliche Wintersportunfälle dazu. Hier müsse man Covid-19 und alles andere genau betrachten. Letztlich brauche es für eine "neue Normalität" in den Spitälern eine Quote von maximal zehn Prozent Covid-Patienten auf den Intensivstationen - und zwar stabil.

Strengere Kontrolle der Maßnahmen gefordert

Dementsprechend wichtig sei eine "mittllerfristige Strategie", denn der Lockdown war eine enorm "teure Notfallmaßnahme", die aber langfristig gesehen wenig bringt. Wie Öffnungsschritte nun ausgestaltet werden, sei eine politische Frage, so der Experte. Egal welche Maßnahmen man aber zurücknimmt oder setzt, es brauche weiter Anstrengungen bei Erst-, Zweit- und bei Boosterimpfungen. Zudem ist die Frage, wie Maßnahmen hierzulande tatsächlich kontrolliert und eingehalten werden.

Dazu müsse das effektive Detektieren und Isolieren von Infizierten auch schnell genug funktionieren. Ist dem nämlich nicht so, helfe das viele Testen hierzulande auch wenig, weil man der Entwicklung zwar zusehen, sie aber nicht stoppen könne. Hier brauche es ein Sicherheitsnetz mit fundierten Daten, klaren Beschlüssen, Umsetzungsstrategien und entsprechenden Ressourcen dazu.

Wie sich die neue Omikron-Variante auswirken könnte, lasse sich noch nicht seriös abschätzen. Ist sie quasi "nur" infektiöser, sei das bei einer jetzt höheren Immunitätsrate weniger tragisch als wenn sie einen aufgebauten Schutz besser umgehen kann. Letzteres wäre "unerfreulicher, denn in die 'Immunisierungsbank' haben wir ja eingezahlt", sagte Popper.

(APA/red.)

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