Mobilität

Umgesattelt: Vorarlberg setzt auf das Rad

Das Auto soll in Vorarlberg öfter stehen bleiben. Bis 2030 sollen 21 Prozent der Alltagswege geradelt werden. Auch das Angebot des öffentlichen Verkehrs soll ausgeweitet werden.

In Vorarlberg soll das Fahrrad das Auto mehr und mehr als Alltags-Verkehrsmittel ablösen. Wurden 2017 noch 16 Prozent der Alltagswege mit dem Fahrrad absolviert, so lautet das Ziel für das Jahr 2030: 21 Prozent. "Schaffe das Angebot und du bekommst die Nachfrage", unterstreicht der zuständige Landesrat Johannes Rauch (Grüne) sein Credo. Ambitioniert gibt man sich auch im öffentlichen Verkehr, der nach Wien als zweitbester Österreichs glänzen soll.

Mit dem 16-prozentigen Radverkehrsanteil an den Alltagswegen liegt Vorarlberg schon jetzt weit über dem Österreich-Durchschnitt von sechs Prozent. Auch in Bezug auf die Zahl der verkauften Jahrestickets beim Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV) schneidet Vorarlberg "sehr gut" (Rauch) ab. Dabei hat die Einführung des seinerzeitigen "365 Euro"-Jahrestickets (nach Wiener Vorbild) im Jahr 2014 zu einem starken Anstieg der Verkaufszahlen geführt: 2013 wurden noch 50.597 Jahrestickets gelöst, 2019 (vor der Pandemie) 75.529. Für 2021 rechnete VVV-Geschäftsführer Christian Hillbrand auf APA-Anfrage trotz Corona-Lockdowns mit mehr als 71.000 verkauften Jahreskarten.

42 Prozent der zurückgelegten Strecken unter fünf Kilometer

Gegenüber den Flächenbundesländern im Osten profitiert Vorarlberg mit seinen rund 400.000 Bewohnern von seiner Kompaktheit. Allein 300.000 Personen leben im Rheintal - das für die EU als städtische Region zählt - und im Walgau-Gebiet. Daraus ergeben sich kurze Wege: Sieben Prozent aller Strecken, die in Vorarlberg mit dem Pkw zurückgelegt werden, sind im Durchschnitt nicht länger als 1,5 Kilometer, weitere 42 Prozent liegen unter fünf Kilometer. Werktags werden durchschnittlich Wege von zehn Kilometern in Ballungsräumen und 13,6 Kilometern in ländlichen Regionen zurückgelegt - Distanzen, die für ein E-Bike prädestiniert sind. 2017 besaßen 79 Prozent der Vorarlberger über sechs Jahren ein konventionelles Fahrrad, 11 Prozent ein E-Bike. "Da die E-Bike-Verkaufszahlen in den vergangenen beiden Jahren massiv gestiegen sind, ist aber davon auszugehen, dass diese Zahl mittlerweile weit höher liegt", so Anna Schwerzler-Nigg, Fahrradbeauftragte des Landes.

Wurden 2019 noch rund 4,1 Millionen Radfahrten an den 18 Zählstellen in Vorarlberg registriert, so waren es 2020 - trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie - schon mehr als 4,9 Millionen Fahrten. "Die Leute sind auch bei schlechtem Wetter unterwegs, das Fahrrad ist zum Alltagsverkehrsmittel geworden", sagt Rauch. Jeder Vorarlberger Bürger legt pro Jahr durchschnittlich 640 Kilometer mit dem Fahrrad zurück, mit einem E-Bike sind es sogar 950 Kilometer. Der Österreich-Durchschnitt liegt bei 250 Kilometer im Jahr.

Allein an den Gegebenheiten des Landes liege das aber nicht, verweist Rauch erneut auf das Angebot. Im Budget des Jahres 2021 waren 4 Millionen Euro an Aufwendungen für den Radverkehr vorgesehen, für das nächste Jahr sind es über 10 Millionen Euro. Überhaupt wurden im Rahmen der Fahrradstrategie des Landes 200 Kilometer an Radschnellverbindungen, zwölf Handlungskorridore und 25 Schlüsselprojekte definiert, die in den nächsten zehn Jahren umgesetzt werden sollen. Allein bis 2027 will das Land gemeinsam mit dem Bund für 62 Millionen Euro drei Radschnellverbindungen errichten.

Im Hinblick auf die Alltagswege soll der Anteil des öffentlichen Verkehrs von nunmehr 14 auf 16 Prozent bis 2030 ansteigen. "Dabei wird die Schiene das Rückgrat bleiben", betont Rauch. Er sieht es als essenziell an, dass Vorarlberg im Rheintal ein drittes und viertes Gleis bekommt, um das System leistungsfähig zu bewahren und leistungsfähiger zu machen. Auch in Bezug auf Bus und Bahn besticht Vorarlberg durch kurze Wege. Zwei Drittel der Vorarlberger Wohnungen liegen höchstens eine achtminütige Radfahrt von einer Bahnhaltestelle entfernt, bei den Arbeitsplätzen sind es sogar 85 Prozent.

Das Angebot muss stimmen

Während im Rheintal vorrangig die Bahn Leute von A nach B bringen soll, braucht es für die Seitentäler den Bus. "Auch die Talschaften haben dabei ein Recht auf kurze Takte", betont Rauch. Schon jetzt hat die Bahn im Rheintal einen Grundtakt von etwa 15 Minuten, auch in den abgelegensten Regionen fährt mindestens stündlich ein Bus, zu Stoßzeiten öfter. Bei der Bahn ist die Zahl der Fahrgäste zwischen 2011 und 2019 um 51 Prozent auf 55.000 Personen pro Tag gewachsen.

Rauchs Credo, dass das Angebot stimmen muss, gilt auch für Bus und Bahn. Neben zuverlässigem Takt und Pünktlichkeit gehören dazu auch neue, modernste Fahrzeuge - zum Jahresende 2022 kommen neue Regionalzüge, das Durchschnittsalter der Linienbusse liegt bei vier Jahren. Im Februar 2020 wurden die ersten vier E-Busse im Linienlandverkehr in den Fahrzeugpool aufgenommen, in Zukunft soll auch Wasserstoff als Energiequelle ein Thema sein. Ebenfalls stetiges Thema ist die Digitalisierung. So kann der VVV mit seiner Ticketing-App "Fairtiq" punkten, die den Fahrgästen immer automatisch den günstigsten Fahrpreis berechnet.

Rauch betont, dass sich die Mobilität in den nächsten Jahrzehnten verändern wird. Bei jeder Entscheidung habe er die Jahre 2030/40 im Kopf. Mit Liechtenstein und dem Schweizer Kanton St. Gallen verhandle er über grenzüberschreitende Tarife, verweist er auf rund 15.000 Auspendler aus Vorarlberg. Als "Vision" denkt er an einen Arlberg-Basistunnel: "Den brauchen wir, wenn wir den Arlberg auf lange Sicht nicht verlieren wollen", so der Landesrat.

(APA)

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