Mikroplastik

Kunststoffgranulat: Die unsichtbare Gefahr für die Weltmeere

Strohhalme sind schon lange nicht mehr die einzigen Fremdkörper, die Meereslebewesen weltweit bedrohen.
Strohhalme sind schon lange nicht mehr die einzigen Fremdkörper, die Meereslebewesen weltweit bedrohen.APA/dpa/Hauke-Christian Dittrich
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Mikroplastik aus Shampoo, Duschgel und Co. ist mittlerweile der offizielle Sündenbock der Umweltproblematik. Dabei ist es vor allem dessen unbekannter kleiner Bruder, der die Ozeane verschmutzt.

Wenn irgendwo auf der Welt ein Ölteppich auf dem Ozean schwimmt, die kommerzielle Fischerei mit kleinmaschigen Netzen Fische fängt oder Strohhalme die Gesundheit von Schildkröten bedrohen, gibt es tendenziell sofort Sorge um Flora und Fauna der Weltmeere. Dabei sind diese gemeinhin bekannten Problematiken nur die Spitze des Eisbergs an der Front der Probleme, die das maritime Ökosystem aktuell bedrohen. Die wahre Gefahr ist um ein vielfaches kleiner, ihr Ausmaß dafür umso größer.

Primäres Mikroplastik hat es mittlerweile aus dem Kreis der Umweltschützer auch in das allgemeine Bewusstsein geschafft. Seine weite Verbreitung als Bestandteil von Duschgel, Shampoo und anderen Kosmetika macht es zu einem der größten Verschmutzer des weltweiten Wasserkreislaufs. Auch die gesundheitlichen Nachteile, die es mit sich bringt, sorgen für einen schlechten Ruf. Mittlerweile konnte sogar nachgewiesen werden, dass sich primäres Mikroplastik in der Plazenta von neugeborenen Kindern anreichern kann. Dass Mikroplastik aber auch in seiner weniger populären, sekundären Form allgegenwärtig ist, ist kaum bekannt.

Das zweite Gesicht von Mikroplastik

Kunststoffgranulat, oder auch Kunststoffpellets heißt der Bestandteil, der für 230.000 Tonnen Mikroplastik jährlich verantwortlich ist, wie die britische Zeitung „Guardian“ berichtet. Das Material besteht aus Polyethylen, Polypropylen, Polystyren, Polyvinyl Chlorid und anderen Plastikbestandteilen und ist der Heilige Gral der Produktion von Billigprodukten. Er findet in einer Vielzahl alltäglicher Produkte Anwendung, angefangen beim Füllmaterial von Stofftieren, bis hin zum Spritzgießen oder der Extrusion bei Verpackungsmitteln. Aufgrund seiner häufigen Verwendung in der Wegwerfindustrie werden die Pellets häufig genauso schnell entsorgt, wie sie produziert wurden – oftmals auch unsachgemäß.

Der "Beifang" großer Fischerboote ist ein bekannteres Umweltproblem, als Kunststoffgranulat.
Der "Beifang" großer Fischerboote ist ein bekannteres Umweltproblem, als Kunststoffgranulat.dpa

Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation stuft Kunststoffgranulat nicht als gefährlich ein. Trotz oder gerade wegen seiner weiten Verbreitung sind die Kunststoffpellets aber ein Hauptfaktor bei der Verschmutzung der Weltmeere. Besonders problematisch wird es, wenn sich sekundäres Mikroplastik in großen Mengen zusammenfindet. Wenn Fische oder Meeressäuger die kleinen Pellets für Futter halten und verschlucken, wird der Zusammenschluss der einzelnen Partikel für sie schnell zu einer lebensbedrohlichen Gefahr. Die Kunststoffpellets bilden einen regelrechten „Plastikstau“ im Magen der Tiere, der früher oder später zum Tod führt.

Wasserminen des 21. Jahrhunderts

Aufgrund der Adhäsions-Fähigkeit von Polymeren ist dieses Phänomen der Ansammlung bei Mikroplastik relativ häufig. Kunststoffgranulat bildet in großen Mengen regelrechte „Klumpen“, die als gefährliche Fremdkörper durch die Weltmeere treiben. Dieses Phänomen der „Floß-Bildung“ gibt es aber nicht nur bei Kunststoffgranulat, sondern bei vielen Formen von Plastikmüll, die die Weltmeere verschmutzten. Das Unternehmen „Ocean Cleanup“ macht sich diese Fähigkeit etwa zunutze, indem es die Müllinseln mithilfe von Fangseilen, die an der Wasseroberfläche treiben, „einkesselt“. Anschließend können die Plastikansammlungen mit Netzen eingeholt und angemessen entsorgt werden.

Durch klimabedingte Phänomene wie Tsunamis oder Strömungen wird die Bildung dieser Müllinsel noch verstärkt. Während die Ansammlung zwar das Aufräumen leichter macht, ist sie insbesondere für größere Meeressäuger eine direkte Gefahr. Walkälber und andere neugierige Tiere können von den schwimmenden Inseln angelockt werden, sich darin verfangen oder dort qualvoll verenden. Auch für den Erhalt des natürlichen Lebensraums sind Müllkolonien eine Katastrophe. Mit den „Floßen“ können Kleinstlebewesen in neue Gebiete transportieren werden und dort das Ökosystem durcheinander bringen – eine Problematik, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Einziger Ausweg aus der Misere: Plastikkonsum gezielt vermeiden und vor allem bereits bestehende Abfälle sachgemäß entsorgen.

(vahe)

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