Eine Lärche für den Küchenboden, Fichtenbretter für die Balkonbrüstung und fein gemaserte Buche für die Sitzbank.
Natur

Holz ist kein Baustoff für Kleinhäusler mehr

Das erste Werkzeug, das ich als Kind bekam, waren ein Schnitzset und ein kleiner Block Zirbenholz. Ob daraus etwas entstand, weiß ich nicht mehr, wohl aber, dass ich mich mit den scharfen Messern bald verletzte. Über meinen Vater, das Holz und die Welt.

Zärtlich war mein Vater nicht. Oder doch: Wenn seine Hand über ein Stück Holz strich, wenn er ein Werkstück begutachtete, das er bearbeiten wollte, dann wiegte er es in seiner Hand, sah es ganz genau an, prüfte seine Eigenschaften, fuhr über seine Maserung, begutachtete die Festigkeit, warf einen Blick auf die Lage und Art der Äste und entschied dann, ob es für einen bestimmten Zweck geeignet war. Dieses Prüfen konnte einige Zeit dauern, erst dann begann er mit der Arbeit. Und wenn diese abgeschlossen war, wenn das Holz zugeschnitten, mit anderen Hölzern verbunden und zu einer Konstruktion verarbeitet und er mit seiner Arbeit zufrieden war, strich er noch einmal sanft übers Holz. Wie um sich zu verabschieden. Mein Vater war Zimmermann, er liebte das Holz. Wie er mir diese Liebe vermittelte, und was ich von ihm über das Holz lernte, davon will ich hier erzählen.

Eines Tages, ich war noch recht klein, nahm mein Vater mich mit zu einer Baustelle. Dort war eine alte Scheune abgerissen worden und sollte durch eine neue ersetzt werden. Auf dem Bauplatz lagen große Stapel Bauholz, Balken in unterschiedlichen Längen, daneben Bretterstöße. Aus diesem Holz, so erklärte mir mein Vater, bauen wir den neuen Dachstuhl. Ich konnte mir nicht vorstellen, was genau aus diesem Holzhaufen werden sollte. In seinem Kopf aber existierte der Holzbau bereits, all seine Rahmenkonstruktionen, die stützenden Verbindungen, die Zwischendecke, der First. Ich sah nur unzusammenhängende Einzelteile, die kein Ganzes ergaben. In den folgenden Tagen und Wochen wurden die Balken bearbeitet. Noch immer ergab der Holzstoß für mich keinen Sinn, dafür lernte ich einen neuen Begriff kennen, einen, der dieses Übersetzen vom Plan im Kopf zum Werk in Rohversion bezeichnete: „Abbinden“ nannte mein Vater diese Arbeit. Gemeint ist damit die Bearbeitung der einzelnen Holzteile, ihr Anriss, ihr Beschnitt, ihre Bearbeitung, sodass aus all diesen sorgsam vorbereiteten Teilen am Ende in kürzester Zeit der Bau zusammengestellt werden kann.

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