Der Konflikt an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland beunruhigt seit Wochen wieder die Weltpolitik. Deutet sich hier ein neuer Ausbruch des Krieges an – oder dienen die Truppenmanöver nur dazu, Zugeständnisse zu erpressen?
Im ostukrainischen Donbas liegen die Nerven blank, jedenfalls hinter der Frontlinie zwischen Kiewer Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten. Das zeigt das neueste Kiewer Skandalvideo: Auf der Aufnahme mit versteckter Kamera ist zu sehen, wie Vize-Innenminister Aleksander Gogilaschwili an einer Straßensperre einen Polizisten bedroht, weil dieser seinen Ausweis sehen will. „Erkennst du mich nicht?! Denkst du etwa, ich sei ein Verbrecher? Ein Diversant?“, bellt der bullige Gogilaschwili, dessen Ehefrau Beraterin von Staatspräsident Wolodimir Selenski ist. Die ukrainische Öffentlichkeit ist empört. Nun will Selenskis Innenminister Denis Monastirskij offenbar die Entlassung des langjährigen Stellvertreters prüfen.
An der Frontlinie selbst war es hingegen in der Nacht von Freitag auf Samstag äußerst ruhig: Die Kämpfer der beiden pro-russischen Separatisten-„Volksrepubliken“ verletzten die Minsker Waffenstillstandsvereinbarungen von 2015 kein einziges Mal. Am Freitag dagegen war es zu sechs Verletzungen gekommen, zwei davon mit der in Minsk verbotenen schweren Artillerie. Dabei wurde auf Regierungsseite niemand verletzt oder getötet, wie ein Armeesprecher in Kiew mitteilte.
Nicht vorbereitet. Entspannt sehen auch ukrainische Frontsoldaten die derzeitig die Weltpresse beherrschenden Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. „Ich glaube nicht an die Gefahr einer großen Invasion“, sagt etwa der 28-jährige Frontsoldat Timur in einer Reportage von „Radio Swoboda“, dem ukrainischen Dienst von Radio Free Europe. „Ich denke, Putin will wie schon im Mai mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 auch dieses Mal einfach wieder etwas vom Westen erpressen; ich habe gehört, es ginge darum, uns die Nato-Mitgliedschaft zu verwehren“, sagt Timur. „Die russische Armee ist gar nicht vorbereitet für einen Krieg, sie haben nicht einmal Feldlazarette vorbereitet“, sagt Vlad, ein 22-jähriger Frontsoldat.