Im Bierlokal mit den Konservativen: „Sarah Palin for President!“

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Bierlokal Konservativen bdquoSarah Palin(c) REUTERS (SCOTT AUDETTE)
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Aktivisten der Tea Party fanden sich in einer New Yorker Bar ein, um den Wahlerfolg zu feiern. Und um verbale Attacken gegen Obama zu reiten. Insgesamt haben sich rund 200 Menschen im „Langan's“ eingefunden.

Vincent Wladika fühlt sich nicht wirklich wohl in seiner Haut. „Wir waren auf der Suche nach einem gemütlichen Lokal“, erklärt der schmächtige Mann im Rollkragenpullover. Gemeinsam mit zwei Freunden lehnt der gebürtige Ukrainer an der Bar im Bierlokal „Langan's“ in Midtown Manhattan. Die kleine Gruppe ist aus dem benachbarten New Jersey angereist, um die Wahlnacht in Gesellschaft zu verfolgen.

Was Wladika und seine Kompagnons nicht wussten: Das „Langan's“ ist eines der Stammlokale für Angestellte und Anhänger des TV-Senders Fox News. „Bill O'Reilly und Glenn Beck kommen immer wieder hierher“, erzählt der Kellner stolz. Tatsächlich liegt das Beisl direkt neben dem mächtigen Wolkenkratzer der News Corporation an der Sixth Avenue. Das Medienkonglomerat von Rupert Murdoch beheimatet Fox News – den konservativen Sender, der seit Monaten scharf in Richtung Barack Obama schießt. Die Kommentatoren O'Reilly und Beck haben den Feldzug gegen den „sozialistischen Präsidenten“ angeführt. Die Republikaner haben ihren Erfolg zu einem Gutteil ihnen zu verdanken, sind sich Wahlbeobachter einig.

Die Tradition der Wahlparty

„Ich bin Demokrat“, sagt Wladika mit ernster Stimme, während er seine Brille zurechtrückt. „Dass ich in dieser Bar hier lande, ist echt ein Zufall.“ An der Wand des dunklen Lokals hängen sechs Fernsehschirme. Drei davon zeigen Fox News mit Bill O'Reilly, die anderen drei übertragen ein Footballspiel. Es ist sieben Uhr abends, erste Hochrechnungen trudeln ein. Bereits jetzt zeichnet sich eine große Nacht für die Republikaner ab. „Breaking News: Rand Paul gewinnt in Kentucky“, flimmert es über den Bildschirm.

Während Wladika und seine zwei Freunde enttäuscht den Kopf schütteln, bricht in der Bar erstmals lauter Jubel aus. Insgesamt haben sich in dieser kalten Wahlnacht rund 200 Menschen im „Langan's“ eingefunden, der Alkohol fließt in Strömen. Die meisten der Besucher deklarieren sich als konservativ. Entsprechend groß ist die Freude, als sich das Wahldebakel für Obamas Demokraten immer deutlicher abzeichnet.

„Unser Land steuert in Richtung Sozialismus, in Richtung Kommunismus“, schreit Barry Aronowitz. Der 42-jährige Bankangestellte fühlt sich „unglaublich wohl“ in der Bar „Langan's“. Im dunklen Anzug starrt der gebürtige New Yorker den Fernsehschirm an. „Fox News berichtet wenigstens fair und ausgeglichen. Sie scheuen sich nicht, Obama zu kritisieren. Wir müssen den Kurs schleunigst ändern, sonst bedeutet das das Ende für jene USA, die wir so lieben.“

Der gehasste Präsident

Besonders stößt sich der Banker an dem Budgetdefizit in der Höhe von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung und an der Arbeitslosenrate von knapp zehn Prozent. „Obama versucht seit zwei Jahren, etwas zu bewegen, doch er macht alles nur viel schlimmer.“

Aronowitz ist unmittelbar nach der Arbeit mit fünf gleichgesinnten Kollegen in die Bar gekommen, um dem Erfolg der Konservativen beizuwohnen. „Ich bin weder Demokrat noch Republikaner“, erzählt er. „Die haben alle keine Ahnung. Nur die Tea Party ist das Wahre.“ Deshalb organisiert der Banker regelmäßig Demonstrationen für die konservative Bewegung. Zuletzt habe er bei Ground Zero gegen den Bau eines islamischen Gemeindezentrums protestiert. Die Muslime wollen zwei Straßen von jenem Platz entfernt, an dem knapp 3000 Amerikaner getötet wurden, eine Moschee errichten. Obama hat dies indirekt gutgeheißen.

„Ich sage es ganz ehrlich: Ich hasse Präsident Barack Obama“, tönt Aronowitz. Seine Stimme ist laut und aggressiv, eine seiner Begleiterinnen versucht den Mann zu beruhigen. „Er hat zu viel getrunken“, flüstert die Dame. Es ist kurz nach 21 Uhr, soeben wurde bekannt, dass der Demokrat Andrew Cuomo wie erwartet neuer Gouverneur von New York wird. Der „Empire State“ ist einer der wenigen Staaten, in denen die Demokraten kaum Einbußen hinnehmen mussten. Daran änderte auch die Kontroverse um das islamische Gemeindezentrum nichts.

Die große Hoffnung auf 2012

„Zum Glück denkt der Rest Amerikas anders“, sagt Angie, die gemeinsam mit Aronowitz unterwegs ist und ihren Nachnamen nicht nennen will. Auch sie arbeitet in einer Bank, im Gegensatz zu ihrem Kollegen ist sie aber Republikanerin, kein Mitglied der Tea Party. Dass sich der erzkonservative Ast der Bewegung negativ auf das Schicksal eines gemäßigten republikanischen Kandidaten für die Präsidentenwahl 2012 auswirken könnte, glaubt sie nicht. „Obama wird abgewählt“, ist sie überzeugt. „Egal, wer antritt.“

Auf die Frage, wen sich die Gruppe denn als nächsten Präsidenten wünsche, sind sich die sechs Banker und ihre Begleitungen mit den meisten der 200 Besucher im „Langan's“ einig: „Sarah Palin“, rufen sie nahezu unisono. „Sie ist die Einzige, die uns vor Obamas Vision eines kommunistischen Landes bewahren kann“, erklärt Aronowitz.

Einzig der Demokrat Wladika ist naturgemäß anderer Meinung. Immer noch lehnt er an der Bar, seine Enttäuschung über die klare Wahlniederlage ist groß. „Irgendwie verrückt, das Ganze“, sagt er, ehe er sich gegen 23 Uhr auf den Heimweg macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

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