Felderer: „Alle Tunnels sollen gebaut werden“

(c) APA (MARKUS LEODOLTER)
  • Drucken

Der IHS-Chef sieht die Kritik an Koralm- oder Brennerbasistunnel als ungerechtfertigt an. „Überall auf der Welt ist die Schiene auf einer Strecke von bis zu 500 km das Verkehrsmittel der Zukunft“, so Felderer.

Wien. Kaum ein Infrastrukturprojekt sorgte in den vergangenen Jahren für so viel Kritik wie der Koralmtunnel, der den Verlauf der Südbahn ändern sowie Graz und Klagenfurt per Bahn verbinden soll. Das Kernstück der – ohne Finanzierungskosten – 5,2 Mrd. Euro teuren Koralmbahn sei reine „Geldverschwendung“, meinte zuletzt etwa Sebastian Kummer, Professor am Institut für Transportwirtschaft der WU Wien. Und auch Wifo-Chef Karl Aiginger sprach sich gegen den Bau des Tunnels aus.

„Keine Projekte herausreißen“

Am Dienstagabend erhielt der Tunnel jedoch einen prominenten Fürsprecher: „Alle Tunnels auf der Südbahn sollen gebaut werden. Man darf dabei nicht einzelne Projekte wie den Koralmtunnel herausreißen“, sagte Bernhard Felderer, Chef des Instituts für höhere Studien, anlässlich der Präsentation des aktuellen „Future Business Austria Infrastrukturreports“.

„Das Verschieben von Projekten der Schieneninfrastruktur ist nicht gut“, so Felderer zu den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung. Wie mehrfach berichtet, soll der Koralmtunnel statt 2020 nun 2022 fertig und der Brennerbasistunnel zumindest in den kommenden Jahren langsamer gebaut werden. Angesichts der Einsparungserfordernisse sei dieser Schritt verständlich gewesen. Es dürfe aber nicht sein, dass Projekte wieder komplett infrage gestellt werden. „Überall auf der Welt ist die Schiene auf einer Strecke von bis zu 500 Kilometern das Verkehrsmittel der Zukunft“, so Felderer weiter.

Die Kritik der Verkehrswissenschaftler, auf der Koralmstrecke würde es zu wenig Verkehr geben, um den Bau eines so teuren Tunnels zu rechtfertigen, kann Felderer nicht nachvollziehen: „Kein Verkehrswissenschaftler weiß jetzt, was künftig sein wird. Infrastruktur wird auf Jahrzehnte gebaut. Und vom Betrieb gibt es weltweit keinen Tunnel, der sich rechnet.“ Allerdings würden die Tunnels positive volkswirtschaftliche Effekte bringen, die die Kosten wieder wettmachen würden.

Keine Sorge über Schulden

Daher macht Felderer, der auch Präsident des Staatsschuldenausschusses ist, der prognostizierte Anstieg der ÖBB-Schulden auf rund 26 Mrd. Euro per Mitte des kommenden Jahrzehnts ebenfalls keine Sorgen. „Wir haben beim Staatsschuldenausschuss den Rückzahlungsplan des Infrastrukturministeriums genau durchgerechnet. Er funktioniert.“

Laut diesem Plan sollen die Schulden zu 70 Prozent vom Staat und zu 30 Prozent von den ÖBB über die nächsten 35 Jahre zurückgezahlt werden. Die jährlichen Annuitätenzahlungen des Staates würden dabei innerhalb der nächsten Jahre von derzeit etwa 250 Mio. Euro auf über eine Mrd. Euro pro Jahr ansteigen. Kritiker fürchten jedoch, dass die Bahn auch die 30 Prozent der Rückzahlung nicht aus eigener Kraft schafft und der Steuerzahler daher noch stärker zur Kasse gebeten wird.

Investitionen für die Infrastruktur müssen laut Felderer zudem nicht bedeuten, dass in anderen Zukunftsbereichen gespart wird. „Es muss möglich sein, die Infrastruktur auszubauen und die Bildung zu forcieren. Wir müssen ja nicht alles in die Hacklerregelung investieren.“ Es sei jedoch auch wichtig, dass der Staat bei seinen Vorhaben berechenbar bleibt. Daher könne man auf Jahrzehnte ausgelegte Rahmenpläne für die Infrastruktur nicht jedes Jahr ändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.