Republikaner wollen Obamas Reformen kippen

Boehner Kongresswahl Republikaner
Boehner Kongresswahl Republikaner(c) EPA (Michael Reynolds)
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Nach den schweren Verlusten der Demokraten stellen die siegreichen Republikaner die Gesundheitsreform in Frage und durchkreuzen Obamas Pläne zur Energie- und Einwanderungspolitik.

Washington. Im Lauf der Wahlnacht färbte sich die US-Landkarte in den TV-Studios zu einem flächendeckenden Rot, mit blauen Rändern an den Küsten. Das Rot der Republikaner wurde zur beherrschenden politischen Farbe zwischen Alaska und Florida, Demokraten sprachen von einem Blutbad. Reihenweise fielen deren Bastionen bei den Kongress- und Gouverneurswahlen, und nur mit knapper Not rettete Senatsführer Harry Reid seinen Kopf in Nevada.

Eine Woge des Protests fegte die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus hinweg, die Republikaner rafften mindestens 60 Sitze an sich - seit 1948 hat es kein Fiasko vergleichbaren Ausmaßes gegeben. Im Senat behielt die Regierungspartei nur knapp die Oberhand. Die überwältigende Mehrheit der Demokraten ist weggebrochen.

Ohnmächtig musste der Präsident mitansehen, wie selbst sein früherer Senatssitz in Illinois trotz eifriger Schützenhilfe an die Republikaner überging. Zwei Jahre nach seinem gloriosen Triumph erlebte Barack Obama im Weißen Haus eine Götterdämmerung - wie zuvor auch seine Vorgänger Ronald Reagan und Bill Clinton.

Referendum über Präsidenten

Obwohl er selbst nicht auf dem Stimmzettel stand, hatten die Republikaner die Wahl zu einem Referendum über den Präsidenten umfunktioniert. Ein Drittel der Amerikaner gab bei Befragungen den Unmut über die Politik Obamas als ausschlaggebendes Motiv für ihre Wahl an. Fast zwei Drittel führten die desolate Wirtschaftslage im Land ins Treffen.

Mittwochmittag begann im Weißen Haus eine neue Ära - und zugleich die Kampagne zur Wiederwahl Obamas in zwei Jahren. In einer Pressekonferenz im East Room versuchte sich Barack Obama neu zu positionieren. Sichtlich angeschlagen und nachdenklich streckte er den Republikanern symbolisch die Hand zur Zusammenarbeit aus. Er habe die Botschaft des Frusts verstanden, erklärte Obama. Wie dies Clinton 1994 vorexerziert hat, gestand er Fehler ein und signalisierte seine Bereitschaft zu Kompromissen.

Nach Meinung von Kolumnisten fehlt ihm indes die ideologische Flexibilität Clintons. Er sei ein ehrlicher Makler und zu sehr auf seine Visionen fixiert, lautet der Einwand. Die anfänglichen Versuche seiner Amtszeit, um die Unterstützung der Republikaner zu buhlen, sind in den Scharmützeln der Gesundheitsreform eskaliert. Ohne Aussicht auf Erfolg wollen die Republikaner Kernelemente der Reform zurücknehmen. Die Obama-Regierung wird dagegen ihre Pläne für eine Energie - und Immigrationsreform ad acta legen müssen. Die Frage der Ausweitung der Steuererleichterungen wird zur ersten Kraftprobe werden.

Beobachter strichen den strategischen Vorteil heraus, dass der Präsident einen Teil der Verantwortung auf die Republikaner abwälzen kann, da sie nun die Macht im Kongress mit den Demokraten teilen. Womöglich findet sich der Präsident sogar in der Position des überparteilichen Staatsmanns, sollten sich die Republikaner und die Tea-Party-Abgeordneten beim Kampf um Herz und Seele der Partei zerfleischen. „Es ist das Beste, was dem Präsidenten passieren kann", analysierte der demokratische Stratege Doug Schoen.

Es überwiegt jedoch die Sorge vor einer Totalblockade, einer politischen Paralyse. „Wir werden alles, was in unserer Macht steht, daransetzen, die Agenda Obamas zur Strecke zu bringen", kündigte John Boehner, der neue Chef im Repräsentantenhaus, an. Kollege Mitch McConnell fügte hinzu: „Wir wollen seine Amtszeit auf eine Periode beschränken." Und Sarah Palin tönte: „Die Tea Party kommt nicht nach Washington, um mit Obama Kumbaya zu tanzen."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2010)

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