Quergeschrieben

Sonntagsöffnung in einer zunehmend diversen Gesellschaft

Auch Anders- oder Nichtgläubige, die über Weihnachten als Zwangsbeglückung klagen, beschweren sich nicht über arbeitsfreie Tage an christlichen Festen.

Erinnern Sie sich noch an die Aufregung, als 1995 der 8. Dezember vom hohen Marienfeiertag zum eher ganz gewöhnlichen Einkaufstag umfunktioniert wurde? Nun sperren die Geschäfte am 4. Adventsonntag als Ausgleich für den Lockdown auf. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, Kirchen und Sozialorganisationen sind sich so einig wie sonst nur selten, dass es eine Ausnahmeregelung und der Tag des Herrn heilig (und arbeitsfrei) bleiben muss. Das gilt zwar nicht für medizinisches und Pflegepersonal, Rettungs- und Feuerwehrleute, auch nicht für Taxler, Kellner, Medienarbeiter, Schauspieler und Kinobetreiber (alle m/w/*). Nur für den heimischen Handel ist es ein ehernes Gesetz. Selbst Menschen, die bemäkeln, dass die Mehrheitsgesellschaft religiöse Feste wie Weihnachten und Ostern Anders- oder Nichtgläubigen penetrant überstülpen würde, goutieren die auf christlichen Festen und Gebräuchen basierende Feier- und Ruhetagsordnung. So krass wie während der Französischen Revolution, als sämtliche religiösen Feiertage abgeschafft wurden und der Sonntag zu einem gewöhnlichen Werktag mutierte, möchte man es auch in progressiven Kreisen lieber nicht haben. Selbst wenn ihnen die Bedeutung fremd ist, haben sie gern am Pfingstmontag frei und nutzen Christi Himmelfahrt und Fronleichnam für verlängerte Wochenenden.

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Österreichs Öffnungsregelung zählt zur strengsten in Europa. Sogar im erzkatholischen Italien können, ebenso wie im linksliberalen Schweden, in den Niederlanden, in Polen, Ungarn, Spanien, Portugal, Großbritannien, der Slowakei oder Slowenien die Geschäfte sonntags offenhalten, in Deutschland immerhin an vier Sonntagen im Jahr. Liberal(er)e Öffnungszeiten bedeuten nicht Sozialdumping. Die EU-Grundrechtecharta garantiert eine wöchentliche Ruhezeit, die in der Arbeitszeit-Richtlinie präzisierte „kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden“ pro Woche muss allerdings nicht auf einen Sonntag fallen. In Schweden gibt es den Begriff „Sonntagsarbeit“ gar nicht. Stattdessen spricht der Gesetzgeber von einer „Wochenpause“ („veckovila“), um eine angemessene Ruhezeit für Arbeitnehmer zu garantieren.

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