Im Gespräch

Was Riccardo Muti lehrt

Ricardo Muti auf einem Bild Anfang Dezember in Mailand.
Ricardo Muti auf einem Bild Anfang Dezember in Mailand.imago images/Independent Photo A
  • Drucken

Dirigieren sei nicht „Verkehrsregelung“, und in der Opernwelt herrsche Verwirrung: Ein Besuch in Mutis Musikakademie in Mailand.

Riccardo Muti ärgert sich, immer wieder. „Brutal“ werde von Regisseuren mit Verdi umgegangen, viele Sänger „missbrauchten“ seine Partien als „Show“. Deshalb beschloss der Dirigent 2015, eine „Italian Opera Academy“ ins Leben zu rufen. Junge Dirigenten zwischen 18 und 35 Jahren haben eine Woche lang Gelegenheit, mit ihm eine italienische Oper zu erarbeiten und gemeinsam vor Publikum zu präsentieren. Und zwar mit renommierten Solisten und dem von ihm 2004 gegründeten Luigi Cherubini Youth Orchestra, das mittlerweile zu den gesuchten europäischen Jugendorchestern zählt.

Heuer, bei der siebenten Edition, stand „Nabucco“ auf dem Programm. Erstmals fand die Akademie, die auch schon in Tokyo abgehalten wurde, in Mailand statt, in den Räumlichkeiten der Fondazione Prada. Einer der üblichen Dirigentenkurse sei sie nicht, erklärte Muti im „Presse“-Gespräch: „Ein Dirigent muss ein Instrument studieren, sich mit Komponieren auseinandersetzen, erst danach kann man mit der Technik beginnen. Toscanini sagte: Den Takt schlagen kann jeder Affe, Musik gestalten bedeutet anderes.“ Wie man etwa den Klang des Beginns einer Brahms-Symphonie kreiert, lasse sich nicht lehren. „Bevor man beginnt, muss man seine Klangvorstellung im Kopf haben. Die Arme symbolisieren den Ausdruck der Gedanken. Dirigieren hat nichts mit Verkehrsregelung zu tun.“

Deshalb konzentrierte sich Muti bei seiner Arbeit mit fünf Dirigenten nicht auf technische Fragen (auch wenn er mitunter selbst zum Stab griff, um vorzuzeigen, wie wenig Bewegung es braucht, um die gewünschten Effekte ganz natürlich zu erzielen). Vielmehr wies er die Kursteilnehmer auf wesentliche Phrasen und deren Gestaltung hin.

Verdi von Mozart her verstehen

Wiederholt wies Muti bei den Proben auf die Bedeutung des Wortes in der Verdi-Interpretation hin. „Es geht um die Worte. Die Rezitative bei Verdi kommen direkt aus der Perfektion der Mozart-Rezitative.“ Dirigenten, die diese Rezitative herausstreichen, „streichen die Handlung“. Es sei auch falsch, Rezitative langsam zu machen: „Sie sollen wie dramatisches Theater gestaltet werden.“

Längst herrscht für Muti in der gegenwärtigen Welt der Oper ein Gefühl der Verwirrung. Es sei an der Zeit, dass Dirigenten wieder das Szepter in die Hand nehmen. Ein Dirigent sollte ebenso Regie führen können wie ein Regisseur dirigieren. Aber das System habe sich längst geändert: „Regisseure bekommen vierzig Tage Zeit für Proben, Dirigenten gewährt man fünf.“ Er selbst habe aber immer, wenn er eine Oper dirigierte, auf einem Monat Proben bestanden – „um zu gestalten“. Es gehe um theatralische Tempi, aber auch um die ebenso wichtige theatralische Stille. Das benötige Zeit – und die hat sich Muti auch für die jungen Musiker in seiner Akademie genommen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.