Lobau-Tunnel

SPÖ-Jugend-Revolte gegen Ludwig: "Wir sind wütend"

Die Presse/Clemens Fabry
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Anwaltsbriefe gegen Klima-Aktivisten sorgen für Entrüstung. „Wir sind wütend“, so ein Partei-Jugendlicher. Die Alsergrunder Fraktion schert gar aus der offiziellen SPÖ-Linie aus.

Wien. Es brodelt in Michael Ludwigs SPÖ. Und der Wiener Bürgermeister ist schon einmal besser dagestanden. Während er als besonnener Corona-Manager weiterhin Punkte sammelt, droht ihm eine andere Diskussion zusehends zu entgleiten. Und zwar jene um den Lobau-Tunnel und die Stadtstraße, die Anfang dieser Woche eine neue Eskalationsstufe erreicht hat. Die Klagsandrohungen der Stadt an (zum Teil minderjährige) Aktivisten, NGOs und Wissenschafterinnen hat viele entrüstet, auch so manchen Parteigenossen.

Doch die wenigsten sprechen dies auch laut aus – bis zum Mittwochabend, als sich die SPÖ-geführte (!) Bezirksvertretung Alsergrund gegen den Bau von Lobau-Autobahn, -Tunnel und alle Zubringerstraßen ausgesprochen hat – und somit gegen die Parteilinie. Nicht alle, aber genügend SPÖ-Bezirksräte trugen die Resolution von Links und den Grünen mit. Auch bei der Jahreskonferenz der SPÖ Alsergrund hat man sich bereits mit großer Mehrheit gegen die Wiener Straßenprojekte positioniert.

Unter den Parteirebellen ist Claudia O'Brien, die Klubvorsitzende der SPÖ-Bezirksfraktion, Bezirksrätin sowie Bundesvorsitzende der Jungen Generation in der SPÖ: „Die SPÖ Wien wird langfristig nicht darum herumkommen, diese Projekte zu adaptieren“, sagt O'Brien gegenüber der „Presse“. O'Brien ist eine der wenigen, die ihre Kritik an der eigenen Partei öffentlich machen. Lautstark gegen die umstrittenen Straßenprojekte aufgetreten ist sonst nur die – für ihre rebellische Ader bekannte – Sozialistische Jugend.

O'Brien habe lange Zeit versucht, mit parteiinterner Diskussion Bewegung in die Frage „Lobau-Tunnel oder nicht?“ zu bringen. Doch die Standpunkte, zumindest in den höheren Parteigremien, seien festgefahren.

»"Die SPÖ Wien wird nicht darum herumkommen, diese Projekte zu adaptieren."«

Partei-Rebellin Claudia O'Brien

„Innerhalb der SPÖ gibt es nicht nur Menschen, die glauben, dass man an fossilen Großprojekten festhalten muss.“ Dieser Eindruck, der nach außen entstehe, störe sie schon länger. „Es gibt viele, die das anders sehen und versuchen, ein Umdenken herbeizuführen.“ Und zwar nicht nur bei den Jüngeren, sondern bei Parteigenossen aller Altersgruppen und aus vielen Bezirken Wiens. „Das ist keine Nischenmeinung“, sagt O'Brien.
Die Enttäuschung sei bei der Parteijugend aber wohl am größten, sagt Junge-Generation-Aktivist Nino Portschy. „Wir sind auch wütend. Nicht nur, dass nicht auf die Sorgen der Jugend eingegangen wird, sondern dass systematisch versucht wird, Meinungen in den Boden zu stampfen“, und zwar auf „perfide Art und Weise“. Portschy bezieht sich auf die „Anwaltsdrohbriefe“, die „einer Sozialdemokratie nicht würdig“ seien.

Generation als Feind

Vom Wiener Bürgermeister würde er sich wünschen, „endlich auf Augenhöhe“ mit den Lobau-Aktivisten zu reden, und: „Dass man nicht blind an etwas festhält, das angesichts der Klimakrise nicht mehr politisch haltbar ist.“ Sonst, fürchtet Portschy, mache sich die Sozialdemokratie „eine ganze Generation zum Feind“. Aus seinem Umfeld sei diese Woche jemand aus der Partei ausgetreten. Gut möglich, dass es mehr sind.

Die abfällige Haltung gegenüber den Aktivisten – der Donaustadt-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) bezeichnete sie kürzlich als einen von den Grünen instrumentalisierten, gewaltbereiten Haufen – kritisiert auch O'Brien: „Das tut mir schon die ganze Zeit über extrem weh.“ Die Situation sei ohnehin sehr verfahren. Der Diskurs vonseiten der SPÖ habe jedenfalls „Ausbaupotential“. Bei der Frage, „wie unsere Stadt in den nächsten 20, 30 Jahren aussehen soll, sollte man auch die Generation miteinbeziehen, die tatsächlich davon betroffen ist.“

(c) Michael Schwendinger/SPÖ Alsergrund

Die Stadt Wien mache beim Klima „extrem viel richtig“, bei innovativen Energiekonzepten oder beim innerstädtischen Öffi-Ausbau etwa. Doch gerade beim Verkehrsproblem in der Donaustadt lohne es sich, die Alternativen anzusehen, meint O'Brien. „Wenn man den Leuten 25 Jahre lang erzählt hat: ,Ihr braucht's diese Autobahn‘, ist es schwierig, da wieder herauszukommen.“ Dennoch sei eine Umkehr, das Eingeständnis eines Irrtums, möglich, glaubt sie. „Die SPÖ Wien als große Stadtpartei könnte das machen, und sie würde es auch schaffen, die Menschen dabei mitzunehmen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2021)

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