Assistierter Suizid

Nationalrat gibt grünes Licht für die Sterbehilfe

Justizministerin Zadic  dankte allen, die an der Lösung mitgearbeitet haben. Das Gesetz achte die Menschenwürde und zeige Respekt für die Selbstbestimmung und höchstpersönliche Entscheidung schwer kranker Menschen.
Justizministerin Zadic dankte allen, die an der Lösung mitgearbeitet haben. Das Gesetz achte die Menschenwürde und zeige Respekt für die Selbstbestimmung und höchstpersönliche Entscheidung schwer kranker Menschen.Die Presse/Clemens Fabry
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Regelung im Auftrag des Verfassungsgerichtshofs tritt im Jänner in Kraft. Innenminister Karner verteidigt sein Dollfuß-Museum.

Nicht alles, was im Nationalrat behandelt wird, hat mit Corona zu tun. Am Donnerstag stand eine Materie auf dem Programm, die aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs geregelt werden musste: die Sterbehilfe. Töten auf Verlangen ist weiterhin verboten, Beihilfe zum Suizid muss aber möglich sein, so die Höchstrichter. Am Nationalrat lag es nun, die genauen Regeln dafür auszuformulieren – und er legte das Urteil eher restriktiv aus: Die Möglichkeit ist auf dauerhaft Schwerkranke oder unheilbar Kranke beschränkt, zwei Ärzte müssen zuvor den Patienten beraten, danach kann beim Notar oder beim Patientenanwalt eine Sterbeverfügung aufgesetzt werden. Und: Der Sterbewillige muss in der Lage sein, das Präparat selbstständig zu sich zu nehmen.

Für das Vorhaben gibt es nun eine breite Mehrheit: SPÖ und Neos stimmten zu, nur die Freiheitlichen haben Bedenken. Das Gesetz lasse in einem so heiklen Bereich zu viele Fragen offen, begründete Justizsprecher Harald Stefan die Ablehnung. So etwa sei nicht geklärt, was mit dem Tod bringenden Präparat zu geschehen hat, wenn es nicht oder nur zum Teil verwendet wird. Und es sei keine Betreuung für jene Menschen vorgesehen, die „sicherlich unter ungeheuerlichem psychologischen Druck“ die Beihilfe zum Selbstmord leisten.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) sprach von einem Gesetz, das die Menschenwürde achte, Respekt vor dem Leben und Respekt für die Selbstbestimmung und höchstpersönliche Entscheidung schwer kranker Menschen zeige. Es stelle aber auch sicher, dass „niemand den Weg des Sterbens wählen soll, wenn es andere Möglichkeiten gibt“. Deshalb werde die Hospiz- und Palliativversorgung ausgebaut. 108 Mio. Euro stünden zur Verfügung, im Ministerrat seien auch 205 Mio. Euro für Suizidprävention beschlossen worden.

Im letzten Moment wurde mittels Abänderungsantrag im Plenum auf Bedenken der Apothekerkammer eingegangen: Sie wollte, dass die Abgabe des tödlichen Präparats nicht verpflichtend ist und dass die Information, welche Apotheken es abgeben, nicht öffentlich zugänglich ist, sondern nur bei jenen Stellen, die die Sterbeverfügung aufsetzen.

Beugehaft für Verweigerer?

Das Coronathema spielte dann aber doch noch eine Rolle: Bei der Änderung der Regeln für die Beugehaft – auch das ein Auftrag des Verfassungsgerichtshofs – behauptete die FPÖ, diese könne bei Impfverweigerung verhängt werden. Denn im Gesetz für die Impfpflicht sei zwar keine Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen, diese sei aber auch nicht ausgeschlossen, so die Abgeordnete Susanne Fürst.

Die anderen Parteien traten dieser Auslegung entschieden entgegen: Fürst interpretiere die Regelungen falsch, ein solcher Ausschluss der Anwendung sei nicht nötig, weil die Beugehaft überhaupt nicht auf Impfverweigerer angewandt werden könne. Sie könne nur eingesetzt werden, wenn eine Behörde einen Bescheid ausgestellt hat, was im Impfpflicht-Gesetz aber gar nicht vorgesehen sei, erklärte ÖVP-Mandatar Friedrich Ofenauer.

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Verlängert wurde die Kronzeugenregelung um sieben Jahre - mit einer kleinen Änderung. Die Kriminalpolizei wird in den Kreis der Behörden einbezogen, an die Kronzeugen herantreten können. Zusätzlich zu um Kronzeugenstatus ansuchende Unternehmen können künftig auch die einzelnen Mitarbeiter ihr Wissen offenbaren - und es wird sichergestellt, dass nur kooperierende Mitarbeiter auch den Status erlangen.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie für weitere sechs Monate etabliert wurde u.a. die Möglichkeit, bestimmte Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen etwa per Video durchzuführen. Die Gebührenfreiheit der Unterhaltsvorschussgewährung wurde verlängert. Gleiches gilt für die Möglichkeit von Videokonferenzen und Umlaufbeschlüssen zur Entscheidungsfindung in Gremien, die nach dem Parteien- und Medienrecht vorgesehen sind.

Innenminister zu Dollfuß-Museum

Erstmals war der neue Innenminister Gerhard Karner in der „Fragestunde“ im Nationalrat zu Gast. Er musste an diesem Ort ein weiteres Mal das Dollfuß-Museum in seiner Heimatgemeinde Texingtal erklären. Man werde ganz konsequent an einer Neuorientierung arbeiten, versicherte Karner. Dies sei schon im Mai so besprochen worden. Vielleicht habe sich die Bevölkerung gerade in der Region nicht genug mit der Dollfuß-Zeit auseinandergesetzt. Daher sehe er die Neuorientierung des Museums auch als Chance.

(maf/ag)

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