Artenschutz

Seeadler in Österreich: Jahrzehntelang im Anflug

Seeadler
Seeadler(c) Jari Peltomaki
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Seeadler sind mittlerweile in Ostösterreich wieder heimisch. Selbstverständlich ist das nicht. Mehr als 40 Jahre lang war dieser Vogel hierzulande ausgestorben.

Seeadler haben Glück. Sie sind keine Wölfe und sie können fliegen. Das macht die Rückkehr in heimische Gefilde ein ganz klein wenig einfacher. Wölfe zum Beispiel reißen Schafe, und das verschafft diesen Raubtieren mächtige Gegner und nicht selten kräftigen medialen Gegenwind, der nicht zuletzt durch üblen Leumund, der wohl schon von Grimm’s Märchen herrührt, angetrieben wird.

Von ihnen aber soll heute keine Rede sein. Sondern von ihren Überfliegern, den Seeadlern. Es war vor 120 Jahren, als für sie die Luft dünn zu werden begann und mehr und mehr das Majestätische auf der Strecke blieb. Da sollte sich auch im Reich der Habsburger der Zugang breit machen, dass alles machbar wird, was den Fraß an natürlicher Umgebung Tempo zulegen ließ. Die Lebensräume für die Adler schwanden.

Damals haben Jäger ihre Flinte immer öfter in die Höhe gestreckt, um Raubvögel auf den Boden zu holen und so zu verhindern, dass sie das Niederwild quasi vor dem Visier wegschnappten. Die Bestände der Seeadler wurden dünner, die Lebensräume kleiner. Trockenlegung von Ackerland und Kraftwerke beschleunigten die Entwicklung, eine (mittlerweile verbotene) chemische Keule namens DDT gab ihnen den Rest: Die Schale der Adlereier wurden immer dünner – wie die Kolonien der stolzen Vögel. In den 1950er Jahren waren die Seeadler aus Österreich verschwunden.

Freigekaufte Auen-Landschaft

Das sollte für Jahrzehnte so bleiben. Seeadler, deren Lebensräume sich ursprünglich über ganz Eurasien erstreckt hatten, wurden auf immer stärker schrumpfende Inseln zurückgedrängt; aus Mitteleuropa beinahe vollständig. Aus österreichischer Perspektive waren die nächsten Seeadler-Kolonien in Norddeutschland, Skandinavien und auf ökologischen Inseln in Polen und Serbienzu finden. Das DDT-Verbot begann zu wirken, außerdem entdeckte man im nördlichen Europa die heilende Wirkung strengen Schutzes; Seeadler-Populationen wurden stabiler und starteten durch, um verlorenes Terrain zurückzuholen.

In Österreich war es in den 1980er Jahren soweit: Die ersten Seeadler wurden gesichtet. Nachdem sie Jahrzehnte lang im Anflug waren, wurde zur Jahrtausendwende das erste Brutpaar beobachtet, die ersten Jungvögel wurden nachgewiesen. Von ungefähr kam das nicht: Der World Wide Fund for Nature (WWF) hatte zuvor die Marchauen freigekauft (noch günstig, weil direkt am Eisernen Vorhang) und für ein natürliches Management der Auenlandschaft gesorgt.

Mittlerweile – und wir machen einen Sprung von 20 Jahren in die Gegenwart – gibt es 44 Brutpaare und die Kolonie kann als einigermaßen stabil bezeichnet werden, sodass von hier aus die Rückeroberung weiterer ehemaliger Habitate starten kann. „Jungadler brechen nicht in weit entfernte Gebiete, sondern brüten häufig in der Nähe ihrer Eltern“, berichtet Christian Pichler, Ökologe und im WWF für Artenschutz – unter anderem auch für Seeadler oder etwa Wölfe zuständig.

Aus dem Schneider ist der Seeadler damit noch nicht. Denn ihm wird nachgestellt – perfide durch ausgelegtes Gift etwa. Da hilft es auch wenig, dass Seeadler selten „Kamikaze-Tauben“ (Tauben, deren Nackenfedern mit giftigem Carbofuran bepinselt sind) zum Opfer fallen – einfach deshalb, weil sie Tauben nur ganz selten jagen. Aber auch Bleimunition aus Schrotgewehren wird ihnen gefährlich. Die bleiernen Kügelchen liegen am Boden, werden von Enten mit kleinen Steinchen verwechselt, die sie für die Verdauung benötigen, oder sind gleich in Enten, die die Schüsse eines Jägers überlebt haben, ehe das Enten-Leben in den Krallen des Adlers endet.

20 Jahre Seeadler in Österreich

Der saure Magen, mithilfe dessen Knochen und Aas zersetzt werden, wird den Adlern zum Verhängnis: „Blei löst sich auf und geht ins Blut über“, weiß Pichler. Das Blei häuft sich an, vergiftet die Tiere und schmälert, was Ornithologen „Bruterfolg“ benennen.

Aus dem Schneider sind die bedrohten Arten, die bedrohten Vögel nicht. Denn schon wieder hat der Seeadler Glück; er hat einen anderen Speiseplan. Bei 44 Brutpaaren ist ausreichend Nahrung vorhanden, Fische zum Beispiel oder im Straßenverkehr verendete Hasen (mehr als 23.000 pro Jahr, so eine Schätzung) oder etwa einen der 33.000 Feldhasen (Jagdstatistik), die ein Jagdhund dann doch nicht erschnuppert hat.

APA/WWF/STEFAN KNÖPFER

Die meisten anderen Vogelarten haben schlichtweg Pech, zum Beispiel weil Insektenbestände geschrumpft sind oder ihr Lebensraum verschwunden ist. Artenschutz-Experter Pichler fasst zusammen: „Es gibt wenige Erfolge, die dann sofort in Frage gestellt werden, weil Adler zum Beispiel Fische fressen. Insgesamt geht es aber mit der Artenvielfalt bergab.“ Seiner Freude für den Augenblick tut das keinen Abbruch. Die Freude über 20 Jahre Seeadler in Österreich.

Die Bilanz kann sich sehen lassen: Doikumentiert sind in den 20 Jahren 351 Jungvögel, die 312 Bruten entschlüpft sind. Die Moral von der Geschichte, die gibt es auch: Der Schutz von Habitaten zahlt sich aus, ebenso wie das konsequente Vorgehen gegen illegale Abschüsse und Vergiftungen und schließlich eine klare Politik gegen Blei-Munition.

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