Man muss sehr vorsichtig sein mit dem, was man sich so wünscht.
Es ist Samstag, es ist früh, es ist dunkel. Ich kehre von meiner Morgenrunde mit dem Hund zurück. Als ich gerade die Tür aufmache, kommt der Jüngste im Pyjama, den er auch noch am Nachmittag tragen wird, herunter: „Was gibt’s denn heute zum Mittagessen?“, fragt er, statt guten Morgen zu wünschen. „Also, du kannst mich echt nicht schon um halb acht fragen, was es zu Mittag gibt“, antworte ich statt guten Morgen und schäle mich aus dem nassen, gatschigen Spaziergehzeug. „Um wie viel Uhr darf ich denn fragen, was es zu Mittag gibt“, fragt der Bub, tippt dabei ziemlich laut einen Fußball auf den Boden und nimmt sich Choco-Krispies (die Schüsserln, nicht den Reis).
Normalerweise gibt es bei uns keine Schokolade zum Frühstück, aber im Lockdown habe ich begonnen, trotzdem welche zu kaufen. Die letzte Packung haben dann die großen Buben aufgegessen, die sonst eher gediegen mit weichem Ei, Avocado und Espresso den Tag beginnen. Ihr kleiner Bruder schaufelt sich immer gleich nach dem Aufstehen eine Schüssel süßes Zeug mit einem halben Liter kalter Milch hinein, sein warmes Getränk lässt er immer so lang stehen, bis es ganz ausgekühlt ist. Die Stimmung ist, gemessen an den allgemeinen Umständen, gar nicht einmal so schlecht, finde ich. Allerdings haben wir schon eine Stufe der Mehltauigkeit erreicht, die normalerweise der Woche nach Weihnachten vorbehalten ist. Daran sollten sich alle erinnern, wenn sie sich je wieder in einem normalen Advent über die Hektik beklagen und nach Ruhe sehnen. Es gilt auch hier: Man muss sehr vorsichtig sein mit dem, was man sich so wünscht. Es ist immer noch Samstag, früh und dunkel. Die Choco-Krispies sind inzwischen wieder aus, und es fehlt noch ein Plan für das Mittagessen.
("Die Presse Schaufenster" vom 17.12.2021)