Rhapsodische Wortgewalt

Mein Proust-Moment: Vierzehn Autoren erinnern sich an die „Madeleine-Episode“. Ein perfektes, kleines Geschenk.

Zu Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ existiert seit Längerem ein Subgenre kleinerer Schriften, die, mitunter mit bildungsbürgerlichem Gestus, ein Motiv des gewaltigen Werks herausgreifen. Der Salzburger Verlag Müry Salzmann hat das Genre nun mit „Mein Proust-Moment“ um ein feines, kleines Buch ergänzt; der Titel bezieht sich auf die „Madeleine-Episode“. In ihr erzählt Proust, wie er eine Madeleine – ein kleines Sandgebäck in Form einer Jakobsmuschel – in Lindenblütentee taucht und der Geschmack plötzlich eine Kindheitserinnerung wachruft. Vergeblich versucht er die Szene erneut zu beschwören – erst als er „loslässt“, erscheint sie ihm wieder. Dank dieser „Memoire involontaire“ kann der Autor sein großes Buch beginnen.

Unter dem etwas blumigen Subtitel „Was die Erinnerung großer Autorinnen und Autoren zum Blühen bringt“ hat der Salzburger Kulturjournalist und Literaturkritiker Anton Thuswaldner vierzehn Autor:innen ausgewählt, die von ihrem persönlichen Zugang zu diesem Madeleine-Erlebnis berichten. Ihre Texte, denen Grafiken oder frühe Fotos der Autoren vorangestellt sind, arbeiten sich allerdings sehr bewusst an der Erinnerung ab, was Epiphanien à la Proust eigentlich ausschließt. Aber hat nicht Proust selbst ähnlich geschwindelt?

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