Verfahrenstechnik

Enzyme aus Pilzen zerlegen die Baumwolle im Pullover

Herausfordernd machen das Recyceln von Textilien die verwendeten Mischgewebe.
Herausfordernd machen das Recyceln von Textilien die verwendeten Mischgewebe. (c) imago images/Butus
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Im EU-Projekt „Scirt“ wird ausgelotet, an welcher Schraube der Textilindustrie gedreht werden kann, um Mode nachhaltiger zu machen. An der TU Wien erproben Forscher biotechnische Methoden, um das Recycling von Kleidungsstücken im großen Stil zu ermöglichen.

Während sich bei PET-Flaschen in den vergangenen 25 Jahren ein gut funktionierendes Kreislaufsystem etabliert hat, gibt es für Textilien keine gesetzliche Verpflichtung zum Trennen. Noch nicht. Ab 2025 soll eine entsprechende EU-Richtlinie in Kraft treten. Hintergrund sind die energie- und ressourcenintensiven sowie umweltbelastenden Herstellungsprozesse von Kleidung. Um die Möglichkeiten auszuloten, wie eine Kreislaufwirtschaft innerhalb der Textilindustrie in Schwung gebracht werden könnte, arbeiten im EU-Projekt „Scirt“ (System Circularity and Innovative Recycling of Textiles) 18 internationale Partner zu Themenbereichen wie Design, Abfallvermeidung, Transparenz der textilen Kette und Recycling. Das Team um den Verfahrenstechniker Andreas Bartl von der TU Wien beschäftigt sich mit Letzterem.

Herausfordernd machen das Recyceln von Textilien die verwendeten Mischgewebe. Bei PET-Flaschen ist der Trennprozess vergleichsweise unkompliziert: Die gesammelten Verpackungen werden zerkleinert, die Schnipsel gewaschen, das Polypropylen der Verschlüsse schwimmt nach oben, der Polyester der Flaschen geht unter – fertig ist der Trennprozess. „Kleidungsstücke sind in der Hinsicht komplexer“, erklärt Bartl. „Das Garn selbst ist zum Teil schon aus zwei Faserarten gemischt. Das mechanisch aufzutrennen ist in der Praxis nicht umsetzbar.“

Reinstoffe aus Mischtextilien gewinnen

Mit seinen Kollegen Emanuel Boschmeier und Wolfgang Ipsmiller forscht er an der TU Wien an Verfahren zur Wiederaufbereitung von Mischtextilien aus Polyester und Baumwolle: „Ein Ansatz ist, dass wir einen Fasertyp chemisch abbauen und abtrennen, sodass nur mehr ein Polymer übrig bleibt. Das ist als Reinstoff dann recyclingfähig.“ Für die Trennung der Fasern wurde ein Prozess entwickelt, bei dem Enzyme, die als Biokatalysatoren fungieren, zum Einsatz kommen. Erprobt wurde die an der Boku Wien entwickelte Methode bereits in dem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekt „Tex2Mat“, das erst kürzlich mit dem Staatspreis für Umwelt- und Energietechnologien ausgezeichnet wurde. Die TU Wien war neben der Boku Wien, der Montanuni Leoben und weiteren neun Partnern daran beteiligt.

Woher die Enzyme stammen? Bartl: „Es gibt Pilze, Bakterien und weitere Organismen, die Enzyme produzieren, die wiederum die Zellulose in ihre Grundbestandteile, nämlich Glucose-Bausteine, zerteilen. So können die Mikroorganismen die Zellulose dann verstoffwechseln.“ Durch spezielle Züchtungen könne man diese Enzyme mittlerweile sehr effizient im großen Stil herstellen – diese werden etwa in Bioraffinerien eingesetzt. Analog dazu lässt sich mit den Enzymen Baumwolle zu Glucose abbauen.

Vorher müssen die Altkleider freilich zerkleinert werden. Dann kommen sie in eine wässrige Lösung. „Vorstellen kann man sich das wie in einer Waschmaschine“, so Bartl Die Vorteile der enzymatischen Hydrolyse gegenüber einer rein chemischen sind vielfältig: „Die Reaktionsbedingungen sind sehr mild. Enzyme arbeiten bei 50 Grad Celsius, bei etwa neutralem pH-Wert, bei Normaldruck, und sie können in einer Kläranlage biologisch abgebaut werden.“

Recycling nur eine Schraube von vielen

Im Projekt „Scirt“ werden nun in Kooperation mit fünf Marken innerhalb von drei Jahren konkrete Modelle für eine textile Kreislaufwirtschaft erarbeitet. Man will für die EU-Richtlinie gewappnet sein. Konkrete Vorgaben dazu wurden jedoch noch keine festgelegt. Bartl rechnet mit „sportlichen“ Zielen. Diese können in Form einer bestimmten Sammelquote oder eines bestimmten Prozentsatzes von verarbeitetem Polyester, der recycelt werden muss, formuliert werden. Vorstellbar sei auch ein Pfandsystem.

Kompliziert macht das Recycling von Textilien aber nicht nur ihre Zusammensetzung. Anders als bei PET-Flaschen ist ihr Produktionsprozess vielstufig – und findet größtenteils außerhalb der EU statt. „Recycling bekämpft zudem nicht die Ursachen der Probleme, die durch die Textilindustrie entstehen“, betont Bartl. „Sinnvoller wäre, weniger Material in Umlauf zu bringen, dann muss man auch weniger rezyklieren.“

IN ZAHLEN

2700Liter Wasser braucht man für die Herstellung eines T-Shirts – das Trinkwasser einer Person für zweieinhalb Jahre.

20Prozent der Wasserverschmutzung weltweit ist auf die Färbung und Veredelung von Textilien zurückzuführen. Die Modebranche verursacht rund zehn Prozent der CO2-Emissionen.

5,8Millionen Textilien werden jedes Jahr weggeworfen, ein Viertel davon wird recycelt. Nur ein Prozent der Altkleider wird wieder zu Fasern und somit neuer Kleidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2021)

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