Junge Forschung

Leistbare chemische Kostbarkeiten

In anspruchsvollen Experimenten – teilweise unter Luft- und Wasserausschluss – entdeckt Michael Haas völlig neue chemische Verbindungen.
In anspruchsvollen Experimenten – teilweise unter Luft- und Wasserausschluss – entdeckt Michael Haas völlig neue chemische Verbindungen.(c) Helmut Lunghammer/TU Graz
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Nicht toxische Photoinitiatoren – beispielsweise zum Aushärten von Zahnfüllungen – sind teuer. Michael Haas entwickelte eine Methode, die ihre Herstellung günstiger macht.

Die meisten Zahnarztpatienten kennen das Prozedere, zumindest, wenn sie sich schon einmal für eine weiße Kunststofffüllung entschieden haben: Um das zunächst weiche Material zu einer Plombe zu verfestigen, richten Behandler ein stabförmiges Lämpchen darauf. Es aktiviert chemische Verbindungen, die der Füllpaste beigemengt sind, sogenannte Photoinitiatoren. „Sie zerfallen unter Lichteinwirkung und bilden Radikale, durch die die Paste aushärtet“, verdeutlicht Michael Haas. „Seit einigen Jahren kann man sie auf Basis von Germanium herstellen, wodurch sie längerwelliges Licht absorbieren und für diesen Prozess kein gesundheitlich bedenkliches UV-Licht mehr benötigen.“ Der Nachteil: „Die Produktionskosten eines Kilogramms davon liegen derzeit in der Größenordnung eines neuen Kleinwagens.“

Von Kontaktlinsen bis zu Prothesen

Haas leitet eine Forschungsgruppe am Institut für Anorganische Chemie der TU Graz und hat eine innovative Synthesemethode für germaniumbasierte Photoinitiatoren entwickelt, die deren Erzeugung um ein Vielfaches günstiger und obendrein effizienter macht. „Aufgrund der geringen Mengen, die man für eine Zahnfüllung braucht, fällt der enorme Preis in der Dentalbranche zwar nicht so ins Gewicht, für andere biomedizinische Anwendungen war er aber bislang ein Hemmschuh“, unterstreicht der 35-Jährige.

Sein Verfahren eröffnet nun überall, wo Lichthärtung eine Rolle spielt, neue Perspektiven. Etwa in der Herstellung von Kontaktlinsen, Prothesen, neuartigen Implantaten oder künstlichem menschlichen Gewebe. Hier war man zuvor aus Kostengründen oft zum Einsatz von phosphorbasierten Photoinitiatoren gezwungen, die aus toxikologischer Sicht nicht unproblematisch sind. „Wir konnten einen vereinfachten Zugang zu dieser neuen Klasse von Photoinitiatoren etablieren“, erklärt der Chemiker seine Methode. „Dabei werden simultan mehrere Siliziumatome abgespalten. Die gewünschte Verbindung wird anschließend durch simples Auskristallisieren isoliert.“ Mit einem Industriepartner (Ivoclar Vivadent) haben er und sein Team auch die entsprechende zahnmedizinische Anwendung realisiert. Obwohl das Forschungsfeld noch jung ist, hat Haas bereits erfolgreich zwei Patente eingereicht. Mehr als 15 Publikationen gehen auf das Konto seiner Arbeitsgruppe. Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen forscht diese zurzeit an wasserlöslichen Photoinitiatoren. „Damit beschreiten wir völlig neue Wege auf unserem Gebiet.“

Chemie ist eine frühe Leidenschaft des Grazers, wiewohl er sich als Jugendlicher im Bann von Hugo Portischs historischer Österreich-Dokumentarfilmreihe auch lebhaft für Geschichte interessierte. Vielleicht liegt es an der Geduld seiner Eltern, dass die Chemie den Ausschlag gab. „Sie ließen meinem Forscherdrang trotz des Verlusts einer Augenbraue und kleineren Verbrennungen freien Lauf“, erinnert er sich schmunzelnd. „Gravierender waren die Begleiterscheinungen meines kleinen Laboratoriums im elterlichen Keller zum Glück nicht.“

Nach der Inskription in Technischer Chemie stellte ein mäßiger Eingangstest eine weitere Weiche: „Die Uni wollte leistungsmäßig ausgewogene Laborgruppen, und so wurde mir eine Mitstudentin zur Seite gestellt, die besonders gut abgeschnitten hatte. Sie wurde meine Ehefrau.“ Zusammen mit dem gemeinsamen Söhnchen, Tobias, begleitete sie ihn später nach Melbourne, Australien, wo er als Postdoc mit einem Schrödinger-Stipendium an der Monash University zu siliziumbasierter Katalyse forschte. „In der Gruppe von Cameron Jones, einem der besten metallorganischen Forscher weltweit, habe ich beruflich prägende Erfahrungen gemacht“, so Haas. Neben den Photoinitiatoren zählen in der Halbleitertechnik eingesetzte Silizium-Wasserstoff-Verbindungen sowie Grundlagenforschung zur Sila-Aldol-Chemie, einer neuartigen Silizium-Kohlenstoff-Bindungsmethode, zu seinen Schwerpunkten.

Privat geht ihm die Familie über alles: „Ob Lego spielen oder lange Spaziergänge, mit meinen Lieben kann ich am besten abschalten.“

ZUR PERSON

Michael Haas (35) hat an der TU Graz Technische Chemie studiert und 2015 promoviert. Von 2017 bis 2018 war er Schrödinger-Stipendiat an der Monash University in Melbourne (Australien). Nach der Rückkehr an die TU Graz baute er seine eigene Forschungsgruppe auf. Er forscht zu innovativen Photoinitiatoren und hat bereits zwei Patente zu dem Thema eingereicht.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2021)

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